W.iderliche W.eihnachten (in) K.arlsruhe

Nach einer „neopaganen“ Tanzveranstaltung im Kulturzentrum „Tempel“ e.V, (mehr dazu demnächst) durfte ich unfreiwillig an der Weihnachtsfeier einer Versicherung teilnehmen. Ein Kellner platzierte uns versehentlich im Vorraum einer Gaststätte, in der gegen 23 Uhr noch eine geschlossene Gesellschaft eintraf. Wir fanden uns also zwischen zwanzig und dreißig geschniegelten Personen, vor denen ein seriöser Mann mittleren Alters, offensichtlich der Bereichsleiter hier in der Gegend, die erste von mehreren Reden hielt. Darin war hauptsächlich die Rede von Zahlen, so und so viele Millionen Umsatz in diesem Bereich, so und so viel Prozent mehr in jenem. Danach wurden die drei besten Mitarbeiter, d.h. diejenigen, die den meisten Umsatz gemacht haben, gelobt, gepriesen, vom Chef beschenkt und den anderen Subalternen beklatscht.
Danach sprach ein Abgesandter aus München, zum Schluss noch irgendeiner oder waren es zwei? In ihren Uniformen kaum auseinander zu halten konnte man sie höchstens an den Krawatten unterscheiden.
Im Grunde eine lächerliche Veranstaltung, die jedes Klischee bestätigt hat, vor allem im Hinblick auf das widerwärtige Gebaren dieser Leute. Neben der platten RTL-Rhetorik „Du hast einen guten Job gemacht“, fiel immer wieder das Wort „Produktion“.
Wikipedia verzeichnet zu dem Begriff folgendes:
„Produktion, (v. lat.: producere = hervor führen), Fertigung, Fabrikation, im rechtlichen Sprachgebrauch die Herstellung, ist der vom Menschen (Produzent) bewirkte Prozess der Transformation, der aus natürlichen wie bereits produzierten Ausgangsstoffen (Rohstoff) unter Einsatz von Energie, Arbeitskraft und bestimmten Produktionsmitteln lagerbare Wirtschafts- oder Gebrauchsgüter (Ökonomisches Gut) erzeugt.
Ich frage mich also, was produziert denn so eine Versicherung? Nichts. Sie verkauft eine Dienstleistung. Sie verkauft das Gefühl, abgesichert zu sein. Nichts weiter. Es ist also nicht gerechtfertigt, zu sagen, eine Versicherung produziere etwas anderes als Umsatz. In diesem Sinne aber ist der Begriff eine Metapher. Wieso also fällt dieser Begriff am laufenden Band?
Er ist ein rhetorischer Baustein einer Unternehmensstrategie, die auf dem Sicherheitsbedürfnis und der Angst der Bürger basiert und diese ausnutzt.
Das Rechtsempfinden des durchschnittlichen Menschen hält ihn normalerweise davon ab, die Schwäche der Menschen auszunutzen. Will eine Versicherung aber überleben, muss sie diese natürliche Hemmungen nachhaltig abbauen, sodass sich das gute Gewissen auf Dauer betäuben lässt. Genau diesem Zweck diente die Veranstaltung. Im falschen Begriff von der „Produktion“ wird vom einzelnen Kunden, dem man das Geld aus der Tasche gezogen hat, abstrahiert, vom möglicherweise schweren Schicksal abgelenkt. Übrig bleiben die nackten Zahlen und genau hier offenbart sich das wahre Gesicht dieser Branche.

Es geht nicht einmal mehr im Ansatz um Dienstleitung, mit keinem Wort, keiner Andeutung wurde in den Ansprachen der Kunden gedacht, alles dreht sich um die Generierung von Umsatz, also den Verkauf von „Produkten“. Neben diesem psycholinguistischen Trick kamen auch zwei andere Mechanismen zur Anwendung. Gier und Anerkennung. Anerkennung in Verbindung mit der Möglichkeit des Aufstiegs aber auch die Angst vor persönlichem Versagen, die durch den Gruppendruck erzeugt wird, machen es leicht, moralische Bedenken beiseite zu lassen. Dass Gier blind macht, ist im Moment ja bei jedem Blick in die Medien zu bemerkten.
Schlimm war allerdings die schmierige Unterwürfigkeit, mit der alle Mitarbeiter den Spitzenkräften zujubelten und über die schlechten Witze des Chefs lachten. So laut, dass man glauben konnte, ein jeder versuche den anderen zu übertönen, um auch ja vom Chef bemerkt zu werden. Wenn man schon nicht der beste Verkäufer ist, dann kann man wenigstens versuchen, der erste Speichellecker zu sein.
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