So war ich also letztens nach langer Zeit mal wieder da. Als ich von der stark belebten Straße, die die Massen ins ECE-Center schleust, in den viel ruhigeren Vorraum kam, fiel mir auf, wie sehr ich die Atmosphäre hier drin vermisst habe. Die arbeitsame Ruhe im Lesesaal, das mit gedämpfter Stimme geführte Gespräch. Wie damals war ich von den schier endlosen Gängen beeindruckt, die durch die Bücherregale führen. Früher war ich mehrmals in der Woche hier, um zu recherchieren, kopieren, auszuleihen und zurückzugeben, aber oft auch einfach nur um zu lesen. Wenn mir langweilig war, weil ich zum Beispiel auf ein bestelltes Buch 45 Minuten warten musste, das es erst aus dem geschlossenen Archiv geholt werden musste, schlenderte ich durch die Gänge des offenen Magazins. Vom Zufall geführt blieb ich an einem Regal stehen, weil ein besonderer Einband meine Aufmerksamkeit auf sich zog, ein Buch besonders groß war oder einfach weil auffällig viele blaue Bücher in einem Regal standen. Ich zog blindlings Bücher aus den Regalen und las mindestens das Vorwort, soweit ich es verstand. Manchmal fand ich etwas, das mich so faszinierte, dass ich es auslieh. Meist aber war ich dort, um wichtige Literatur zu beschaffen, die notwendig war, um eine Hausarbeit, wie immer in letzter Minute, fertigzustellen.
Ich war froh, wieder hier zu sein, allerdings verweigerte mein Ausweis seinen Dienst im Onlinesystem der BLB. Am Schalter erfuhr ich dann, dass er abgelaufen sei. Ein neuer koste 30€! Pro Jahr!! Schüler, Auszubildende, Studenten etc. dürfen nach wie vor die BLB kostenfrei oder zu reduzierten Gebühren nutzen. Alle anderen zahlen eben 30€ im Jahr. Und nicht nur das. Die Dame am Schalter sagte mir, dass die neue Direktorin immerhin gerade mit Stuttgart verhandle, dass sie das Geld in Zukunft selbst behalten dürften.
Ach so ist das. Ich zahle 30 Euro im Jahr, um eine staatliche Bibliothek zu benutzen, in deren Wesen es liegt ,der Bevölkerung Wissen und Informationen zu Verfügung zu stellen. Die Konsequenz daraus ist, dass die Chance sich zu informieren, sich zu bilden, zu forschen etc. abhängig wird von der finanziellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Bürgers. Wer leiht sich ein Buch aus, wenn er 30€ dafür bezahlen muss. So kann man sogenannte bildungsferne Schichten niemals an den sinnvollen Gebrauch von Information heranführen. Dass das von der verantwortlichen politischen Kaste im Grunde nie beabsichtigt war, ist nun offenkundig.
Die Einführung von Benutzungsgebühren für die BLB karikiert die ohnehin unglaubwürdigen Absichtsbekundungen der Konservativen und der sogenannten Liberalen in dieser Hinsicht. Das Volk soll dumm bleiben, damit es sich weiterhin als nützliches Konsumvieh gängeln lässt und sich darüber auch noch freut, wenn man einen Flachbildschirm als absolutes Schnäppchen für nur 699€ vom örtlichen blauen oder roten Elektronikmarkt quasi geschenkt bekommt. Wenn man dem Volk dann noch alle paar Monate ein bisschen Angst macht, dann kann man immer schön weiter machen wie bisher. Aber zurück zum Thema.
Zynisch betrachtet ist die Benutzung der BLB noch immer kostenfrei, denn die Gebühr kommt ja nicht einmal der BLB zugute, das wäre ja noch in Ordnung. Denn wo das Geld hingeht, weiß wohl nur der, der es am Ende auf dem Konto hat und im Saunaclub auf den Kopf haut.
Vielleicht fließt das Geld in das selbst von den Stuttgarter Bürgern unbeliebte Prestigeprojekt unseres unter einer irreparablen Störung des Sprachzentrums leidenden Ministerpräsidenten, vielleicht kauft sich der für die Einführung der Gebühr verantwortliche Wissenschaftsminister Prof. Frankenberg (CDU) auch goldene Fließen für sein Ministerium oder auf der Schwäbischen Alb werden von dem Geld neue Blumenrabatten besorgt. Keiner weiß es. Ich könnte das Geld auch auf die Straße werfen und warten, wer es aufhebt. Den könnte ich wenigstens fragen, was er damit vorhat.
Die politsch Verantwortlichen versuchen in Zeiten einer sich radikal demokratisierenden und dezentralisierenden Informationskultur die Herrschaft über die Information und deren Verbreitung zurück zu gewinnen. Deshalb wird der freie Zugang zu Information dort, wo der Einfluss noch hinreicht, so weit wie möglich erschwert. Dass das nur ein Rückzugsgefecht in einem Kampf gegen Windmühlen ist, sollte Menschen, die wissen, wie man das Internet in diesem Sinne effektiv nutzen kann, klar sein. Die Medienmacher des ZDF gehören offensichtlich nicht dazu, wie Homberle letztens an diesem Ort festgestellt hat („Facepalm“).
Die Einführung von Benutzungsgebühren in der BLB ist leider nur ein weiteres sehr trauriges Beispiel für die Orientierung der politisch Verantwortlichen. Man stützt Banken mit hunderten von Millionen Euro, damit die ihre selbst zu verantwortenden Schulden begleichen können, um dann zum Tagesgeschäft überzugehen und zu hoffen, dass die Zockerei das nächste Mal genauso profitabel sein wird wie zuvor.
Ein paar Millionen Euro für den Betrieb von Landesbibliotheken fallen doch bei solchen Summen nicht mal ins Gewicht. Aber in der BLB sitzen eben keine Lobbyisten, die mit dicken „Geschenken“ Einfluss auf ihre Volksvertreter nehmen dürfen. Die Politik degeneriert immer mehr zu einem „Amt für Beförderung wirtschaftlicher Interessen“. Wen interessiert Bildung, Kultur oder Kunst. Aus der Richtung wird nicht geworben. So etwas stellt man sich höchstens in die Vorhalle seiner Firma oder seiner Bank, aber doch nur um dem benachbarten Vorstand Bildung und Interesse an Kultur zu heucheln.
Ach ja, im Karlsruher Gemeinderat sprach sich neben der CDU auch die FDP für die Einführung von Benutzungsgebühren aus. Treten die nicht für mehr „Freiheit“ ein? Ja, aber nur für die Freiheit, die du dir leisten kannst.
Kategorien: Gedanken

1 Kommentar

homberle · 11.10.2009 um 20:09

Über dieses Thema haben wir uns ja schon unterhalten und meine Meinung dazu kennst du:-) Beim erneuten Lesen ist mir ein schönes Zitat eingefallen, das sehr gut dazu passt – ich weiß leider nicht von wem das im Original ist, ich kenne es nur von Reinhard Mey:
„Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.“

Das gesamte Lied ist übrigens großartig – „Sei wachsam“:
http://www.youtube.com/watch?v=BU9w9ZtiO8I

Gruß,
homberle

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