Dieses kleine Büchlein habe ich geschenkt bekommen, von jemandem, den ich kaum kenne bzw. der mich nicht im Entferntesten kennt. In diesem Umstand liegt vielleicht bereits das größte Problem. Die begleitenden Worte hierzu waren: „Du wirst es lieben!“ und „… eine schöne kleine, spritzige Liebesgeschichte mit Happy End.“. Das nächste Problem ist, ich lese solche kleinen spritzigen Liebesgeschichten grundsätzlich nicht! – und lese sie dann doch. Aus Höflichkeit. es bleibt einem aber dann auch nichts übrig, als dem geschenkten Buch auch ins Maul hinein zu schauen, sei´s auch noch so übel riechend, und dann zu begründen, warum es nicht gut riecht.
Von dem Autor hat man hierzulande noch nichts gehört und nichts gelesen. Dies ist sein erstes Buch, das aus der italienischen in die deutsche Sprache gefunden hat. Fred Paronuzzi ist ein 67er Jahrgang, Englischlehrer seines Zeichens, lebt in einem Bergweiler in den Savoyen und, ach ja genau, er schreibt Romane.
Einige Sätze zum Inhalt: Es gibt zwei Handlungsstränge. Im ersten Strang begegnet der Leser dem Protagonisten Jeremie, einem mittezwanzigjährigen Franzosen, der traumatisiert durch die Abtreibung seines ungeborenen Kindes, sich zu therapieren sucht. Hierzu nimmt er regelmäßig an der Schwangerschaftsgymnastik im Schwimmbad teil und unterzieht sich einer Kochtherapie bei einem gewissen Dr. Boo. Jeremie bekommt von dem Direktor einer Schule den Auftrag, eine Gruppe von Praktikanten in die USA zu begleiten, wo er diese herum chauffieren soll. An dieser Stelle treffen die beiden Handlungen und deren Protagonisten aufeinander. Rose ist die Protagonistin des zweiten Handlungsstranges. Der Erzähler beschreibt Rosa als eine frustrierte, chipsessende, fernsehende Mittevierzigerin aus Inglewood, Illinois. Sie ist geschieden von ihrem prügelnden, rassistischen Ehemann und hat die Hoffnung auf die wahre Liebe im Leben aufgegeben. Jeremie begegnet Rose, als er bei ihr als Untermieter einzieht. Trotz des Altersunterschiedes verlieben die beiden sich auf den ersten Blick, flüchten sich nach Atlantic City, wo sie heiraten und ihren Honeymoon gemeinsam verbringen.
Paronuzzi zeichnet die beiden Protagonisten seines Buches durch Einblicke in deren Alltag und deren merkwürdigen Angewohnheiten und Umfelder als isolierte, vereinsamte und traurige Zeitgenossen. Beide sind durch schwere Schläge des Schicksals geprägt und desillusioniert und wagen nicht, auf eine Trendwende zum Guten im Leben zu hoffen. Die tiefe Traurigkeit im Inneren der Figuren des Romans kontrastiert stark mit den vielen skurril-humorvollen Kleinigkeiten und Begebenheiten vor allem im Leben des Jeremie, die dem Leser gelegentlich ein nachdenkliches Schmunzeln abringen. Nicht ohne Witz und gut beobachtet ist die Episode mit Jeremie im Schwimmbad. Die Vergleiche und Bilder, die der Erzähler Jeremie bei der Beobachtung der Schwangerengymnastik anstellt, führen den Leser in die verträumte Welt des jungen Manns. Auch die Nebenfiguren unterstützen den Eindruck von geträumten Welten fernab der schwierigen Realität. Ein älterer, seniler Onkel Jeremies streut aus dem Kontext gerissene Erinnerungsbruchstücke an sein Leben in Afrika in die Gespräche und Situationen des Romans. Der träumerische Eskapismus beider Figuren, Jeremie und Rose, deren Begegnung und deren Liebe auf den ersten Blick inmitten skurriler Begebenheiten erinnert an den lieblichen und phantasievollen Jeunet/Caro Film „Amelie“. Nur die Umsetzung ist längst nicht so gelungen. Die Kommentare des Onkels geraten später im Buch zu einem schlechten, eher verstörenden „running gag“. Auch die Eindrücke, Gedanken und Situationen der Figuren hängen wie ein Flickenteppich aneinander. Die Übergänge von einem Handlungsstrang in den anderen sind mal fließend, mal sind sie klar abgehoben. Einerseits unterstreicht diese Machart die innere Verstörtheit der Protagonisten durch ein Trauma; andererseits scheint es dem Leser auch, als hätte der Autor seinen Text nicht wirklich im Griff. Einen inkohärenten, zerrissen Text zu verfassen mag zwar einen modernen Touch haben und auch in der Intention des Autors liegen, es kann allerdings auch als schriftstellerische Unfähigkeit ausgelegt werden. Der Verdacht, dass es sich bei diesem Buch um letzteres handelt, liegt hier leider näher.
Das Happy End gestaltet der Autor, indem er die verschrobenen, einsamen Persönlichkeiten zueinander finden lässt und diese sich, geradezu märchenhaft von der ersten Begegnung an lieben „als wären sie schön“. Der Titel besagt, dass nur diejenigen, die wirklich schön sind, sich auch wirklich lieben können. Die große hässliche Masse müsse es sich im Gefühlsrausch einbilden, schön zu sein, um in den Genuss der Liebe zu kommen. Auch bei der Titelwahl liegt die Vermutung nahe, dass der Autor nicht wirklich wusste, was er tut. Jedenfalls fehlt im Buch eine ausreichende Beschäftigung mit der Bedeutung des Titels.
Das Buch ist sehr kurz geraten. Man merkt am Layout, dass hier Luchterhand Mühe gehabt hat, den wenigen Text so zu strecken, dass es sich in Buchform pressen lässt. Auch, wenn einige Elemente originell sind, so fehlt es an einigen Ecken und Enden und man erwartet schlicht und ergreifend mehr und ein ausführlicheres Erzählen. Darüber hinaus wird man das Gefühl nicht los, dass Paronuzzi mit seiner USA-Schilderung anti-amerikanische Klischees bedienen will. Der Nachgeschmack insgesamt ist fahl und leicht bitter. Dass Paronuzzi mal einen guten Roman präsentiert ist nicht ausgeschlossen, dafür muss er jedoch noch etwas wachsen, lernen und vor allem noch üben, üben, üben…

meint Iwan Jakowlewitsch

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