Matt Elliott – Drinking songs

Manchmal weiß man nicht, was einem fehlt, bis es plötzlich vor einem steht. Man fragt sich dann, wie man ohne auskommen konnte. Genau so geht es mir mit der Musik von Matt Elliott. Als Teil der Third Eye Foundation ist er verantwortlich für einige recht passable, aber im Ganzen wenig auffällige Drum ’n‘ Bass Platten. Alleine geht er aber andere Wege. Wege, die weit ab von denen liegen, die er voher ging. Die Musik, die Elliott am seinem ersten Album präsentiert, ist irgendwo als „Post Folk“ bezeichnet worden. Es ist das ungewöhnlichste Album, das mir in den letzten Jahren in die Hände gekommen ist. Man könnte es als semi-akustisch bezeichnen, als eine Mischung aus Folk, Lenard Cohen, Fin de siecle und Ambient. Tiefe Trauer, dunkler Schmerz, stille Verzweiflung mischen sich mit bitterbösem Humor und beißendem Sarkasmus. Heraus kommt ein Album, das im herbstlichen Garten der Melancholie beginnt am Packeis der Depression zerschellt, mit der Kursk in schwarze Tiefen sinkt, um dort in einem hemmungslosen beinah 20 Minuten langem Stück feinster Drum ’n‘ bass Musik wieder ins Leben zurückkehrt. Der Titel dieses letzten Stücks „The Maid we messed“ weist durch die böse Homophonie auf das nächste Album „The Mess we made“.
Das zentrale Stück aber ist „The Kursk“. In leise, ruhige Klänge, in den verzweifelten Männerchor mischen Geräusche des untergehenden U-Boots: unter steigendem Druck stöhnenden Metall, vielleicht ein Wal, der das Sinken mit kaltem Auge und hohem Ton begleitet. Aber nirgends ein Knall, kein Krachen, kein Schrei. Das U-Boot versinkt in namenlosen, dunklen Tiefen. Als letztes Echo winkt der tote Chor dem Hörer zu, wie einst der tote Ahab auf dem Wal.
All die Qual, all der Schmerz, der die erste Hälfte des Albums prägt findet in diesem Titel seine Apotheose. Das Album ist an einer Grenze angekommen, hinter der kein Klang mehr möglich scheint. Die Musik kommt zum Stillstand. Sie schlägt ins Negative um. Elliott benutzt rückwärts abgespielte Beats. Die Musik löst sich auf.
Das Vergangene zerstört die Gegenwart. Aber aus diesen negativen Beats entwickelt sich langsam, Motive aus den vorigen Songs zögerlich aufnehmend ein kleines Rinnsal Musik, dessen seine Quelle der Stillstand war. Nach und nach wird aus dem zarten Neubeginn ein starker, mächtiger Fluss, das dunkle Geröll des Schmerzes und das alte Schilf der Melancholie fortreißt. Ungehemmt bricht sich alles Bahn, was vorher gestaut, verdrängt war, fließt in 20 min hinaus, hinaus in eine Ebene, die der mitgeführte Schlamm einst in eine fruchtbare, neue Landschaft verwandeln wird.
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