Die Frage hat sich irgendwann einmal ihre Selbstverständlichkeit am Ende der Nahrungsaufnahme erarbeitet. Sie wird gestellt. Immer.

Sie ist oft unterschiedlich in ihrer Form, hat aber dennoch jedes Mal dasselbe Ergebnis: Kaum einer sagt das, was er eigentlich sagen möchte. War’s recht? Hat’s geschmeckt? Waren sie zufrieden? Die Variation der Frage ist ähnlich beliebig wie die Antwortmöglichkeiten: Sehr gut. Sehr lecker. Wunderbar – nur viel zu viel…

Ich esse gerne. Und weil dem so ist, besuche ich in unregelmäßigen Abständen auch mal das ein oder andere Restaurant meines Vertrauens. Ich quäle mich durch die Karte, was bei mir immer viel zu lange dauert, weil die meisten Fresstempel einen Wettbewerb untereinander ausfechten, wer mit dem Umfang der Speisekarte näher an Goethes Gesamtwerk rankommt. Ein Pils später ist die Bestellung dann meistens doch abgegeben, ein weiteres Pils später ist das eben bestellte da. Essen.

Und genau hier beginnt es schwierig zu werden, denn in den seltensten Fällen stellen sich orgastisch befriedigende Zustände beim Essen in einem für mein Budget ausgelegten Restaurant ein. Also ist das Essen ok. Nicht richtig fantastisch, aber eben auch nicht so schlecht wie die Tütensuppe, die man dem WG-Mitbewohner klaut, weil man zu faul zum Einkaufen war. Einfach ok. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich lege das Besteck beiseite und kurze Zeit später sehe ich sie: die Bedienung, die den ganzen Abend sehr aufmerksam, nett und zuvorkommend war. Sie kommt auf mich zu, weil sie den leeren Teller sieht. Da hilft auch kein verzweifeltes Stochern in den Resten. Die letzte Chance, der unausweichlichen Frage zu entkommen – ein Gang zur Toilette – kommt auch nicht mehr in Frage, da war ich schon kurz nach der Bestellung, man will sich ja nicht nachsagen lassen, man hätte es an der Blase. Es gibt kein Entrinnen. Sie steht vor mir, ich sehe, wie sich ihre Lippen öffnen, um sie zu stellen: die Frage der Fragen.
Ich lege mir die Worte zurecht, diesmal sicher, die Wahrheit zu sagen. Zu sagen, dass es in Ordnung war, nicht sterneverdächtig, nicht überwältigend. Einfach ok. Ich bin mir ganz sicher. Keine Ausflüchte, keine Lügen, nichts besser reden, als es war. Nur die Wahrheit. So schwer ist das nicht.

„Hat’s geschmeckt?“
„Sehr lecker!“

Sie räumt ab. Espresso und die Rechnung bitte. Aber das sage ich schon völlig abwesend. Denn ich bin mir meiner Niederlage bewusst. Ich habe es wieder nicht geschafft.

Das nächste Mal aber sicher. Ganz bestimmt.

Kategorien: Gedanken

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