Endlich ist es soweit. Die Menschen in Deutschland und vor allem in Bayern sollten sich freuen, denn heute tritt einer ab, der weniger durch sein sich selbst beschertes milliardenschweres Abschiedsgeschenk in Erinnerung bleiben wird, das ihn allerdings als das auszeichnet, wofür er stand: Kumpanei, Anbiederung an die Wirtschaft, blauäugige und kurzsichtige Politik. Politisch blind, immer auf Berater angewiesen wird er in seiner Unfähigkeit nur noch vom amtierenden Ministerpräsident unseres Ländchens übertroffen. Polit-zombies wie Öttinger oder eben der scheidende Edmund Stoiber sind eine Schande für eine gesunde Demokratie und ihr beider Beispiel zeigt nur, wie schädlich große Mehrheiten und jahrzehntelange Vorherrschaft in einem Land, für ein Land sind.
All das sei nun vergessen, sollen andere auf Edmund draufhauen, dafür ist hier kein Platz. Für mich wird Edmund Stoiber nicht als Politiker in Erinnerung bleiben, sondern als Beispiel für einen stetigen Kampf mit der eigenen Muttersprache. Als Redner mit einer ins Pathologische reichenden verbalen Inkompetenz geschlagen, muss für ihn die deutsche Sprache stets eine Herausforderung bleiben. Diese hat er angenommen und uns allen gezeigt, dass Arbeit an der Sprache nicht nur deren Schwierigkeiten deutliche macht, sondern vor allem auch ihr kreatives, ja letztliche poetisches Potential offenbart. Ich möchte Stoiber als Sprachschöpfer in Erinnerung behalten, dessen unfreiwillige verbale Fehltritte in die Nähe zu Loriots sprachlichem Witz zu stellen sind. Man kennt und amüsiert sich über den „Problembären“, ein knuddeliger Begriff für die Unfähigkeit des Menschen die Natur beherrschen zu wollen und ein Zeichen für die dahinterstehende Hybris, die sich seit mindestens 200 Jahren im europäischen Menschen dauerhaft festgesetzt hat.
Mein persönlicher Favorit ist allerdings die „gludernde Lot“. Der betreffende Abschnitt sei hier mitgeteilt:

„Es muss zu schaffen sein, meine Damen und Herren,

wenn ich die CDU ansehe,

die Repräsentanten dieser Partei an der Spitze,

in den Ländern, in den Kommunen,

dann bedarf es nur noch eines kleinen Sprühens

sozusagen in die gludernde Lot,

in die gludernde Flut,

dass wir das schaffen können und deswegen…

in die lodernde Flut, wenn ich das sagen darf,

und deswegen, meine Damen und Herren […]“

Mehr als nur ein Wortverdreher. Vielmehr können wir an diesem Beispiel die kreative Kraft des Menschen Sprache zu benutzen im Augenblick des Geschehens beobachten. Das Bild von der lodernden Glut kann dem guten Edmund nicht besonders vertraut gewesen sein. Hier haben seine Redenschreiber ihn wohl ein wenig überschätzt. Ohne eine präzise Vorstellung von diesem Bild verschmilzt er der beide Worte zu zwei neuen, die doch nun viel enger zusammgehören, da jedes etwas vom anderen bekommen hat. Edmund kämpft, nachdem er seinen „Fehler“, und versucht ihn zu korregieren, ohne den richtigen Ausdruck vor dem inneren Auge zu haben. Ein neuer Begriff entsteht, Erst nach einem weiteren Korrekturversuch gelingt es ihm, zwei Begriffe zu finden, die auch in einem Wörterbuch stehen: lodernde Flut. Zwar macht auch dieser neue Begriff keinen Sinn, es entsteht etwas, das man als Metapher bezeichnen könnte, wenn es denn etwas gäbe, auf das dieses sprachliche Bild verweist. Welch eine grandiose Metapher wäre eine lodernde Flut, wert in einem eypressionistischem Gedicht aufzutauchen. So aber steht der Ausdruck als sinnloses Ergebnis eines genauso unbeholfenen wie kreativen Kampf mit dem System Sprache in einem Zusammenhang, der diesem Bild leider nicht angemessen ist. Das Bild bleibt blind. Was Stoiber hier in einem dadaistischen Akt der Sprachschöpfung kreiert ist eine blinde Metapher. Ein goldener Bernstein in einem Haufen grauer Kiesel. Danke Edmund.

Kategorien: Gedanken

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