Gamardschoba – Erste Eindrücke aus Georgien

Seit gestern befinden wir uns in Tiflis, Georgien. Da wir erst am späten Nachmittag ankamen, reichte die Zeit, nachdem wir unser familiengeführtes Hotel einer famosen Dachterasse bezogen hatten, gerade noch für einem Spaziergang in der Nachbarschaft und Altstadt. Vielleicht wäre noch eine Sehenswürdigkeit drin gewesen, wenn wir nicht sofort die berühmte georgische Gastfreundschaft kennengelernt hätten: „Nick“ (vermutlich ist der Name touristenfreundlich heruntergedummt, denn georgisch ist für den mitteleuropäischen Mund eher eine schwierige Angelegenheit) bot uns einen Willkommenswein an. Seine Familie in einem anderen Landesteil habe einen Weinberg. Er hat herzlich gelacht, als ich erwähnte, meine Familie besäße lediglich einen Kartoffelacker. Egal, also Gläser auf den Tisch und ab dafür: ein starkes Viertel Rotwein. Das letzte, was wir gegessen haben, war das Rührei im Flieger, läuft also bei uns :-)!

Die ersten Eindrücke des Spaziergangs lassen einen sich bald in der Sowjetunion oder Kuba (baufällige Gebäude und Plattenbauten), bald in Südeuropa (Kirchen, Pinien, Zikaden) fühlen. Und das alles in extra-heiß! Da überrascht es nicht, dass wir uns am Ende des Abends nach georgischem Wein und einer Selektion georgischer Biersnacks auf der Terrasse am allermeisten auf die Klimaanlage im Zimmer freuen.

Abreise

Wie froh bin ich, dass ich weg bin. Selten war ich reifer für eine Reise. Ich habe das Gefühl, als ginge mir alles auf die Nerven. Jede noch so geringfügige Kleinigkeit, sonst kaum beachtet, zerrt an den Nerven. Aber morgen geht’s endlich los. Keine große Reise dieses Jahr, keine fremden Völker, keine neue Kultur. Nur Bayern! Drei Wochen lang Bayern. So lange war ich hier noch nie. Ich werde versuchen, die Bayern so zu wahrzunehmen, als seien sie Angehörige einer mir fremden Kultur.

Ob es hier an der Tanke auch ein Gewinnspiel gibt, bei dem es eine Ziege als Hauptpreis gibt wie letztes Jahr in Ochiwarongo? Ich bin gespannt. Das einheimische Hefeweizen vom der Brauerei Hopf in Miesbach schmeckt schon mal.

Weiches Licht, hartes Licht

Früh geht hier die Sonne unter. Um 18 Uhr ist es stockdunkel. Kurz nach 6 geht die Sonne auf und taucht die Welt für eine gute Stunde in ein wundervolles weiches Licht. Dann sollte man auf den Beinen und vor allem warm angezogen sein. Fährt man in der Zeit des weichen Lichts durch die Gegend,  z. B. um Tiere zu beobachten, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das endlose Land und der trockene Busch umgeben dich, als hätte jemand die Gegend mit dünner Wasserfarbe gemalt. Doch das Licht wandelt sich im Laufe des Vormittags. Die weichen Farben schwinden, bleichen zusehends aus im starken Sonnenlicht. Gegen Mittag dominert ein hartes Licht, das die Farbe aus der Natur gebrannt hat. Ein unheimlicher Kontrast zum Morgen. Erst mit der sinkenden Sonne kehren die Farben wieder, erreichen aber die Schönheit des Morgens nicht mehr. Um 18 Uhr ist stockdunkel

Weites Land

Als an Kurzsichtigkeit gewöhnter Städter werde ich jedes Mal schon fast euphorisch, wenn ich von einem Hügel oder einem Kirchturm über die Rheinebene hinweg schaue. Wie weit erscheint mir dann die  vllt.  50km breite Rheinebene zwischen Durlach und Annweiler. Dazwischen 100 kleine Dörfer links uns rechts des Rheins, tausende Autos, zehntausende Menschen. Dass wir eng an eng gedrängt leben, spürt jeder Berufspendler!

Umso so überwältigender der erste Tag auf Namibias Straßen. Von Windhoek aus nach Norden: ein paar Hügel in weiter Ferne, schnurgerade Straßen, der Blick streift ungehindert bis zum Horizont. Nach einer Weile ist man allein auf der Straße, sogar die Hügel verlassen und die trockene Buschlandschaft dehnt sich endlos. Nichts stört den Blick.

Nach vielen Kilometern verlassen wir die geteerte Straße und biegen auf eine Schotterpiste, die zum Campingplatz führen soll. Mitten hinein in den endlosen, leblos erscheinenden Busch. Wo eben noch Weite war, sieht man links und rechts der Straße keine 50 Meter weit. Und doch bieten sich gerade in dieser relativen Enge überraschende Ansichten. Rinder queren die Straße, Warzenschweine grasen am Rand der Piste, Giraffen stehen ein wenig weiter im Busch, überragen die Pflanzen kaum. Man muss schon genau hinschauen, damit man die Tiere bemerkt, so gut passen sie in das Braun und Grau des Busch. Im Zoo mag eine Giraffe nicht zu übersehen sein, hier kannst du 5 Meter an einer vorbeifahren und sie nicht bemerken. Ein Game drive lohnt deshalb.
Hier sollte ein Bild hin, aber der Bilder-Upload der WordPress-App war noch nie zuverlässig. Das Wlan auf dem Campingplatz ist leider auch recht schwach. Dann halt eine kurze Beschreibung von Bild 1: Noch recht nahe bei Windhoek. „Viel“ Verkehr und ein paar Paviane am Straßenrand.

Hier sollte Bild 2 sein:

Gitaffe zehn Meter von der Piste entfernt. Ok. Die Bäume an dieser Stelle waren ein wenig höher.

Oh. Der Upload von Bild 2 hat immerhin funktioniert!

Vom Wandern

Das Wichtigste zuerst:Der Norweger hat ein gänzlich anderes Verständnis vom Wandern als der Deutsche. Diese Erkenntnis, die hier lapidar in einem Satz dargelegt ist, musste  wir uns allerdings hart erarbeiten. Aber von Anfang an.

Wir sind nun am Hardangerfjord angekommen in einem Häuschen, das wir schon vor Monaten gebucht haben, da man vom Sofa aus nicht nur direkt auf den Fjord blickt, sondern es auch ein Bootshaus mit eigenem Fjordzugang hat. Die Feuerstelle, an der wir abends die „Grillsesong“ (das ist tatsächlich ein richtiges norwegisches Wort – der Badner wird im Stillen jubilieren) einläuten, während die Sonne (!) hinter dem Berg verschwindet, macht das Glück vollkommen.

Da wir hier, da nun das Wetter mitspielt, endlich wandern wollen, fragen wir unsere Vermieterin (an dieser Stelle ein großes Dankeschön an Iren für alles, nicht zuletzt für den Rentiertopf, den sie für uns gekocht hat) nach Tipps. Auf alle Fälle stimmt sie uns zu, als wir verkünden, nicht die bekannteste Route zu Trolltunga laufen zu wollen, da wir nicht sicher sind, ob uns 10km in einigermaßen anspruchsvollem Terrain nicht zu viel sind. Da seien ohnehin zu viele Touristen, meint sie und schlägt stattdessen den Dronningstien, den Lieblingsweg der Königin, vor. Rote Route, d.h.Anspruch 3 auf einer Skala von 1 bis 5 und eine Länge von 16km. 16km statt 10?? Wohl norwegische Logik. Schließlich einigen wir uns, dass wir einen Teil dieses Weges von Lofthus aus wandern werden. So machen wir uns am nächsten Morgen bei traumhaftem Wetter auf die Socken. Doch als wir unser Auto auf dem Parkplatz abstellen, ereilt mich der erste Schock. Über uns thront majestätisch ein Berg. Den sollen wir rauflaufen? Von ganz unten? Ein Blick auf eine Infotafel verrät uns das ganze Ausmaß  der Katastrophe: 1100 Meter. Wir befinden uns auf Höhe des Meeresspiegels. Und der Weg ist lediglich 5 km lang. Ich starre ungläubig auf die Tafel. Aber was soll’s, jetzt, wo wir schonmal da sind, haben wir wohl keine andere Wahl. Also machen wir uns auf Richtung Gipfel. Los geht es zunächst harmlos über geteerte und später geschotterte Serpentinen durch Hänge, an denen abertausende Äpfel wachsen. Stetig geht es bergauf, immer steiler, bis wir teils auf allen Vieren enge Waldwege mehr hinaufklettern als -wandern und nach einer knappen Stunde beginnt mein Körper sich zu wehren, die Beine schmerzen, der Puls rast. Das endgültige Aus für die Moral ist ein weißer Kastenwagen, der auf einmal mir nichts dir nichts an uns vorbeifährt. Die Priviligierten müssen den Berg anscheinend  nicht im Schweiße ihres Angesichts erklimmen. Gedanken wie „In Deutschland gäbe es hier schon lange eine Seilbahn!“ oder „Wenn das ein roter Weg ist, wie sehen dann die braunen und schwarzen aus? Senkrecht die glatte Felswand hoch?“ machen sich breit, aber Christian fühlt sich „richtig geil“, also habe ich wohl keine Wahl und quäle mich weiter aufwärts. Und dann passiert das, wovon man so oft hört, was man als durchschnittsfauler Breitensportler aber selbst nie erlebt: Man ist durch den Schmerz durch, die Beine werden leicht, der Puls wird wieder ruhig, der Kopf wird leer und man ist frei. Man geht einfach in dem Gefühl noch tagelang so weiterlaufen zu können. Schließlich erreichen wir so über unzählige Treppenstufen, die ab einer Höhe von etwa 800 Metern hier im Mittelalter von Mönchen erbaut wurden und momentan von nepalesischen Arbeitern ausgebessert und erweitert werden, das Hochplateau der Hardangervidda, der größten Hochebene Europas. Überwältigt vom Ausblick in den Fjord tief unter uns auf der einen und in die karge Ebene jenseits der Baumgrenze auf der anderen Seite können wir beide es kaum fassen, dass wir in nur 2,5 Stunden 1100 Höhenmeter bewältigt haben. Stolz wie Oskar genießen wir unseren Triumph bei einem Vesper, bevor wir den Abstieg wagen in Richtung Fjord, Heimat und Grillsesong. (Gastbeitrag von Karla Kolumna)

Von Parken, Planänderungen und Preispolitik

  1. Heute ist Sonntag, wir sind also seit 5 Tagen unterwegs und haben in dieser Zeit schon einige Erkenntnisse über Land und Leute gewonnen. Für den im Ausland als spießig und regelverliebt verschrieenen Deutschen vielleicht die wichtigste: Es gibt eine Nation, von der wir in Sachen Regeln noch Einiges lernen können,vor allem wenn es um’s Parken geht. In Oslo hatten wir dieses Kapitel ja durch den „Ikea-Trick“ elegant umgangen, in Stavanger jedoch gab es kein Entkommen mehr. Jede Straße im Zentrum ist mit Schildern versehen, die angeben, wann man dort parken darf. Erschwert wird die Sache dadurch, dass auf fast allen weitere Zusätze die Parkbedingungen spezifizieren. Selbstverständlich auf norwegisch. Kostenpflichtige Parkplätze können nur mit Kreditkarte bezahlt werden. Aber nicht mit den unsrigen. Eine Erklärung bekommen wir nicht, bzw.auf norwegisch. Also stellen wir uns vorläufig ins Parkhaus und machen dann mit beim leicht absurd anmutenden Auto-Umparkspiel, das hier alle zu spielen scheinen, denn die große Straße in unserer Nähe ist tagsüber komplett autofrei, sobald aber 18 Uhr ist, schießen wie aus dem Nichts von überall Autos hervor, um sich die besten Plätze für die nächste Nacht zu sichern. Uns dem Ganzen in guter linker Tradition zu widersetzen, trauen wir uns bei den Preisen, die überall aufgerufen werden, nicht. Vermutlich würde uns ein einziger Strafzettel an den Rande des Ruins bringen…
  2. A propos Ruin: Befeuert durch das Internet sowie wilde Warnungen derer, die Norwegen schon einmal bereist haben, hatten wir uns aus Angst hier oben entweder zu verarmen oder zu verhungern, bereits in Deutschland zu Hamsterkäufen hinreißen lassen, die einem an der Kasse die Schamesröte ins Gesicht trieben: 72 €für Fertiggerichte. Nicht ein einziges Vitamin im Wagen. Herr Maggi und Herr Knorr hätten sicher vor Rührung geweint. Jetzt jedoch kommt man sich, wenn man die Preistafeln  vor den Restaurants sieht, sehr schlau und weitsichtig vor. 26€ für ein Curry, 10 € für ein Bier, 15€ für einen Döner. Einen DÖNER!! Im Supermarkt ist es immerhin ein bisschen humaner, da sind die Dinge etwa 2 (Bananen) bis 4 Mal (Brot) so teuer wie bei uns.
  3. Die dritte wichtige Erkenntnis ist, dass Planen hier zwar ein hübscher Zeitvetreib ist, aber eben nicht mehr. Zumindest nicht, wenn der Plan vom Wetter abhängt und die Wettervorhersagen hier mehr eine Glaskugelwissenschaft sind. So wurde unser sauber ausgefeilter Wanderplan (abseits der Massen nicht zum Preikestolen zu pilgern, sondern den höchsten Gipfel der Gemeinde Sandes zu erklimmen) vom prasselnden Regen verhindert. Dass aber eine Planänderung nicht immer etwas Schlechtes sein muss, erkannten wir spätestens,  als wir unsere Partie Scrabble auf Norwegisch (oder dem, was wir dafür hielten) in einem sehr liebenswürdig verschrobenen Café beendet hatten, und uns bewaffnet mit einer im Netz gefundenen Karte auf die Jagd nach Streetart machten und ein völlig anderes Stavanger abseits der Touristenmeile in Gamla Stavanger entdeckten. Großartige Kunstwerke bald überlebensgroß an Fabrikgebäuden verewigt, bald im Handtaschenformat hinter der nächsten Ecke versteckt. Was man alles so sieht, wenn man einmal die Augen aufmacht. Wahnsinn. In diesem Sinne erwarten wir mit Spannung die Dinge, die noch kommen mögen, und machen uns  morgen in die Hardangervidda. (Gastbeitrag von Karla Kolumna)

    Kuba 2015 2: Mit dem Mietwagen unterwegs

    Nach ein paar Tagen im quirligen Havanna wollten wir mit dem Mietwagen ein paar Ecken der Insel erkunden. Wir wählten dabei folgende Route: über die Autopista 4 Richtung Westen nach Vinales. Von dort nach Playa Larga und schließlich noch ein Stück in den Osten nach Trinidad. Den fernen Osten der Insel mit Santiago de Cuba ebenso wie den fernen Westen der Insel haben wir aus zeitlichen Gründen nicht besucht. Zwar hätte man die Tour auch mit dem Bus machen können, es gibt zwei Busunternehmen, die sehr viele Strecken abdecken, aber wie auch andere Reisen gezeigt haben, ist man mit den Mietwagen einfach flexibler. Bei dem Mietwagen handelte es sich um einen Wagen des chinesischen Herstellers Geely, von dem man auf Kuba viele sieht. Ein paar Grundsätze sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man am kubanischen Verkehr teilnimmt:

    1. Jeder fährt, wo er will. solange Platz ist.
    2. Es ist kein Problem einfach auf der Straße anzuhalten und mit einem vorüber gehenden Bekannten ein Schwätzchen zu halten. Den hupenden Verkehr hinter dir kannst du einfach ignorieren.
    3. Die Hupe ist das wichtigste Untensil. Man grüßt damit, zeigt einen Überholvorgang an (links oder rechts) oder dass man eine unübersichtliche Kurve schneiden möchte.
    4. Aus dem Wagen hängende Arme sind nicht nur ein Zeichen von Coolness, sondern sind vor allem in den alten Amischlitten als Ersatz für defekte Blinker sinnvoll.
    5. Vor Zebrastreifen unbedingt anhalten und schauen, ob jemand kommt. Jeder Kubaner hält sich daran, egal ob er mit dem Auto, mit dem Rad oder mit dem Pferd unterwegs ist. Offenbar scheinen hier saftige Bußgelder fällig zu werden, sodass man gut beraten ist, sich daran zu halten.
    6. Angehalten wird auch vor Bahnschienen, auch wenn die aussehen, als ob da schon lange kein Zug mehr durch kam. Da Bahnübergänge, wie man sie aus Europa kann, selten sind, eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme.

    Die Tatsache, dass nur 3,8% der Kubaner ein Auto besitzen, gepaart mit den vor allem in und um die großen Städte herum großzügig angelegten Straßen, macht das Autofahren für den staugeplagten Mitteleuropäer erst einmal ziemlich entspannend. Auch die Autobahnen sind im Verhältnis zu den wenigen Autos sehr großzügig dimensioniert. Allerdings benutzt hier auch jeder die Autobahn, ob er ein Auto hat oder nicht. Pferdefuhrwerke, Radfahrer, Fußgänger, Tramper, die beim Nahen eines Autos auf die Autobahn gelaufen kommen. Gelegentlich kreuzt Vieh die Autobahn oder grast mehr am Rand der Straße. Dennoch ist genug Platz. Den braucht man auch, denn man muss doch recht oft den bisweilen riesigen Schlaglöchern ausweichen und die Spur wechseln oder Schlangenlinien fahren. Man kann sich gut an einem voran fahrenden Fahrzeug orientieren und versuchen, dieselbe Linie wie der Vordermann zu treffen. Mehr als 100 darf man ohnehin nicht fahren, oft ist man sogar langsamer unterwegs. Viele Brücken überqueren die Autobahn, nicht über alle davon führt auch ein Straße. Offenbar wurde hier der Bau irgendwann eingestellt. Diese Brücken bieten den wartenden Menschen Schatten, deshalb ist immer viel los unter diese Brücken. Dort ist manchmal soviel los, dass da nicht nur Tramper und Händler auf vorbeifahrende Autos warten können. Vielleicht sind es auch schattigen Treffpunkte, wo man ein paar Leute trifft und ein Schwätzchen halten kann oder die Bushaltestelle wurde von den Passanten kurzerhand aus der Sonne in den Schatten verlegt. Die Tramper sind zahlreich, laufen auf die Straße und wedeln mit Geld. Da Überlandbusse für die Einheimischen nur selten verkehren, sind viele Kubaner darauf angewiesen, eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Tankstellen sind selten aber ausreichend vorhanden. Wir waren auf dem Weg nach Vinales einmal an der Autobahn tanken. Als ich ausstieg, stand auf einmal ein Kubaner vor mir, der mir ein paar Messer unter die Nase hielt. Kein Gangster, nur ein Händler, der mir seine Ware anbot. Oft hört man, dass die Beschilderung auf Kuba schlecht sei. Für Städte und die Landstraßen kann man das gelten lassen, an den Autobahnen finden sich in meinen Augen ausreichend Schilder, auch wenn an einigen die Richtungspfeile weggekratzt wurden. Neben all diesen Kleinigkeiten ist Autofahren auf Kuba aber ein echter Genuß für staugeplagte Europäer: man fährt in moderatem Tempo durch eine großartige Landschaft, sieht viel von Land und Leuten. Die abenteuerlichen Straßenverhältnisse sorgen für einen angenehmen Nervenkitzel.

    Fiskidagurinn mikli in Dalvik

    2010 durften wir in Olhao, Portugal das Festival do marisco miterleben. Vielleicht habe ich sogar war darüber hier im Blog geschrieben. Ein tolles Fest mit jeder  Menge Musik und haufenweise Meeresfrüchten. Ich erinnere mich noch gut daran,  wie wir Park am Hafen saßen und mit einem alten Fischer, der zum  Ärger seiner Ehefrau schon mächtig einen im Tee hatte, Bier gegen Meeresfrüchte getauscht haben. Von uns ein Becher Bier,  von ihm drei große Garnelen.
    Gestern durften wir in Dalvik,  im Norden Islands, das Fiskidagurinn mikli, das große Fischfest, miterleben. Nach Dalvik waren wegen einer Whalewatching-Tour gekommen, im übrigen mir der Sichtung eines Buckelwals aus nächster Nähe ein atemberaubendes Erlebnis war; auch wenn 20% der Mitreisenden der Wellengang so zu schaffen machte, dass  man vor lauter Seekranken manchmal kaum einen  Platz an der Reling finden konnte.
    Nach der Tour schlenderten wir ei wenig über das Fest. Die Ahnlichkeiten zum Festival do marisco sind schnell aufgezählt: zahlreiche Stände boten die unterschiedlichsten Spezialitäten  an, alles Fisch. Bühne mit Livemusik, Kinderprogramm, tolle Stimmung, gutes Wetter. Doch im Unterschied zum Festival do marisco war in Dalvik alles!!!, wirklich alles umsonst. Klar, die Portionen waren klein und die Schlangen vor manchen Buden lang. Aber weil niemand irgendwo etwas zahlen musste, stand man nirgends länger 5 Minuten. Softdrinks und Kaffee etc. waren ebenfalls umsonst. Die Gemeinde Dalvik lädt so jedes Jahr an einem Wochenende Anfang August Besucher ein, egal ob Tourist oder Einheimischer. Dieses Jahr sollen an den von Freitag bis Sonntag 30000 Besucher auf dem Fest gewesen sein. Das Fest hat offenbar auch einen eigenen Song. Den lieben langen Tag spielte das Radio einen an Rickie Martin erinnernden Song, der den Namen des Festes im Refrain wiederholte: Fiskidagurinn mikli.
    Um eine Eindruck von der Vielfalt des Angebots zu geben, zähle ich mal auf, was wir probiert haben:
    gedünsteter Heilhutt an Tomaten und Paprika, dazu Schrimpssalat mit Blauschimmelkäse und Brötchen
    gedünsteter Lachs mit Ingwersoße, dazu  s.o.
    Fischburger
    Rohe Schrimps mit Sojasoße
    Roher Lachs mit Sojasoße
    Roher Schweinswal mit Sojasoße
    Getrockneter Fisch (Heilbutt) mit ein wenig Butter
    traditionelle Fischsuppe.
    LECKER!!!

    Wärme/Kälte

    Im Schnitt scheint auf Island im August fünf Stunden am Tag die Sonne (davon sind wir aber weit weg im Moment). Aber das reicht nicht für Temperaturen von 20 Grad  oder mehr. Mit 15 sollte man zufrieden sein. Der an Sonnenschein und Wärme gewohnte Süddeutsche wird hier bescheiden und freut sich über jeden Sonnenstrahl. Im Ganzen bleibt es also eher kühl. Einheimische erkennt  man ganz einfach daran, dass sie die einzigen sind, die sich in Tshirt oder Pullover auf die windigen nassen Straßen trauen. Jacken bleiben für Minusgrade reserviert. Aber  wenn die Wärme nicht von oben kommt, dann nutzt man eben die aus der Erde. Darin hat es der Isländer zu wahrer Meisterschaft gebracht. Island deckt bekanntlich einen Großteil seines Energiebedarfs mittels Geothermie. So teuer das Leben in Island sein mag, für kaltes Wasser zahlen die Isländer nichts, für warmes Wasser nur ganz wenig. Doppeltverglaste Fenster, Niedrigenergiehäuser? Alles Schnickschnack hier. Einfach die Heizung aufdrehen. Die Wärme aus der Erde wird aber am liebsten dazu verwendet, Hot tubs oder Swimmingpools anzulegen, deren Wasser entweder mittels Geothermie erhitzt wurde oder direkt aus der Erde kommt. Pools und Tubs sind die wahre Leidenschaft der Isländer. Jedes Kaff hat einen öffentliches Schwimmbad, Hot tubs sind über das ganze Land verstreut, manche von Mauern eingefasst, andere werden so benutzt, wie sie sind. Ist der Fluss oder Teich warm, spring rein und genieß es! Das ist also das Motto der Isländer.
    Ob sie die Pizza mit Rentier im Café Skaftfell in Seydisfjördur mit Hilfe der Geothermie gebacken haben, weiß ich nicht. Ausgezeichnet war sie auf jeden Fall.
    Man kann die heißen Quellen nämlich tatsächlich zum Kochen benutzen;  zum Spaß ein Ei im heißen Wasser. Oder man backt Brot oder Kuchen im heißen Gestein wie die Einheimischen.
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    Von Skôgar nach Seydisfjördur

    Die Landschaft hier ist einfach atemberaubend. Hinter jeder Kurve bietet sich dem Reisenden eine neue, spektakuläre Aussicht. Auf der knapp 600km langen Fahrt von Skôgar nach Seydisfjördur im Osten der Arbeit Insel kommt man aus dem  Staunen nicht mehr heraus. Berge, Gletscher, Abhänge, ein riesiges Lavafeld, so groß und unheimlich,  man glaubt sich auf einem fremden Planeten. Das bedrohliche Schwarz des Lavafeldes macht nach einer Weile einem seltsamen gelblichen Grün des Mooses Platz, das 25cm dick die Lava überdeckt. Manchmal liegt der Geruch von faulenden Eiern in der Luft, dann scheint eine geologisch aktive Gegend zu durchqueren. Mitten im moosbedeckten Lava wächst ein kleines rotes Kraut. Es verströmt in dieser unwirtlichen Landschaft einen Duft, an Honig erinnert. Dieser Kontrast trifft einen völlig unvorbereitet. Umso größer das Erstaunen. Alle Sinne sind gefordert, wenn  man durch diese Landschaft reist. Knapp 600km strengen auf Deutschlands Autobahnen richtig an, hier zuckelt man entspannt mit 90 km/h dahin, vom böigen Wind hin und wieder überrascht,  und kommt aus dem Staunen über die Landschaft nicht heraus. Die Straße folgt einige Zeit den großen Fjorden an der Ostküste. Nach dem dritten Fjord hat man davon aber langsam genug. 15km in den Fjord hinein und auf der anderen Seite das gleiche wieder hinaus, nur um nach der nächsten Kurve in den nächsten Fjord zu fahren. Wir haben im längsten der Fjorde an dessen Ende eine Abkürzung gefunden, die uns 21km lang auf unbefestigten Straßen bei zum Teil 17% Steigung bzw. Gefälle mitten ins Hinterland führte, wo wir wieder auf Ringstraße Nr. 1 trafen. Die abenteuerliche Fahrt hat uns immerhin 80km Weg erspart. Echt anstrengend waren die letzten 10km hinunter nach Sedisfjördur. Auf der Hochebene umfing uns dichter Nebel. Der Straßenrand war kaum zu sehen. Gelegentlich konnten man links u d rechts der Straße Wasser erkennen, in dem Eisschollen schwammen. Wenn dann noch ein Warnschild aus dem Nebel auftaucht, das vor S-Kurven und 12% Gefälle warnt, hört der Spaß dann langsam auf. Irgendwann waren dann auch noch die Mittelstreifen auf der Fahrbahn verschwunden. Echt übel, diese letzten Kilometer.
    Fotos folgen.
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    Skôgafoss

    Um es kurz zu machen. Isländisch ist eine wirklich drollige Sprache. Wie man sich aber den Namen zum Beispiel eines Vulkanes merken soll, weiß ich nicht. In den vergangenen beiden Tagen habem wir von Skôgar aus das Land erkundet. Riesige Lavafelder, Wasserfälle,  Klippen, merkwürdige geologische Formationen. Fotos gibt es erstmal keine , die Internetverbindung hier ist so schlecht,  dass ich nicht mal weiß,  wann ich diesen Post absetzen kann.
    Gleich neben unserem Guesthouse  befindet sich der malerische Skôgafoss-Wasserfall, den man auch prima von der Straße aus sehen kann. Den Pauschaltouri wird freuen, außerdem kann man mit dem Auto bis fast unter en Wasserfall fahren. Wer sich damit begnügt,  hat einen zauberhaften Naturereignis gesehen, aber mächtig was verpasst. Neben den Sokafoss führt eine steile Treppe hinauf zu einer Aussichtsplattform, von der aus man den Wasserfall von oben sehen kann. Großartig,  auch von hier oben. Aber nur wer dem nahe an der Schlucht entlangführenden Pfad folgt, wird nach jedem Felsvorsprung, nach jeder Durchquerung eines Seitentals  mit immer spektakuläreren Aussichten auf den wilden Gebirgsfluss belohnt. Wir sind dem Fluss gut eine Stunde lang gefolgt, über Stock und Stein, immer nahe am Abgrund, ohne Sicherung. Funktionären des deutschen Alpenvereins bliebe der Enzian im Halse stecken, so wenig beschildert, so wenig gesichert ist dieser Pfad, der eigentlich der Anfang eines langen Wanderwegs ist. Über allem trohnt der berüchtigte Eyjafjallajökull, in dessen Schatten wir logieren. Flugreisende werden sich erinnern.

    15.8. – Ein aufregender Abend

    Der Lunch fiel kurz aus. Nur ein Sandwich vom Frühstückslokal um die Ecke. Der Plan für den Nachmittag sah vor, die Brooklynbridge zu Fuß zu überqueren ( dort werden aber im Moment Inetandhaltungsmaßnahmen durchgeführt und deshalb ein großer Teil des Fußwegs von blickdichten Zäunen umschlossen, was die Sicht doch ein wenig behinderte), durch den Brooklyn Beach Park weiter nach Brooklyn selbst und von  dort, immer noch zu Fuß,weiter nach Williamsburg. So weit, so gut.  Die Brooklyn Bridge zu finden und zu überqueren war einfach, der Spaziergang durch den Brooklyn Bridge Park schön, der anschließende Marsch durch Brooklyn anstrengend aber sehr interessant. Wir durchquerten ein jüdisches Viertel, in dem offensichtlich nur sehr konservative Angehörige dieser Religion wohnten, waren doch alle in entsprechende Tracht gekleidet, Junge, Alte, Frauen. Alle weitgehend uniform. Ein untrügliches Zeichen von mindestens Konservativismus. Getrennt durch ein Viertel mit überwiegend schwarzer Bevölkerung, das ähnlich wie Harlem wirkte, aber in seiner  eher vorstädtischen Ruhe doch ganz anders war, folgte dem jüdischen ein christlich-arabisch gemischtes Viertel. Alle Arten von Shops wechselten mit Kirchen von Relkgionsgemeinschaften, deren Namen man in Europa wohl noch nie vernommen haben dürfte. Spannender sich eine Gegend zu erlaufen als in der auf 18 Grad herunter gekühlten Subway von a nach b zu fahren. Leider haben wir uns irgendwie verfranst. Wo und wie weiß ich nicht, ich glaube aber, dass wir zwar auf der richtigen Straße waren, nur am falschen Ende. In Deutschland eine Lapalie, in den USA durchaus ein Problem, ist doch die Bedford Avenue 16 Kilometer lang. Wir fanden irgendwo eine Subway Station. Die brachte uns ans Ziel:
    nach Williamsburg, laut Lonely Planet DAS Viertel. Brooklyn im allgemeinen und Williamsburg im besonderen erleben gerade eine Art von Renaissance unter dem Banner des Schnurrbarts. Hier treffen sich die Hipster, aber auch alle möglichen anderen Leute, die wenig mit den aufpolierten Vierteln in Manhattan zu tun haben (wie z.B. dem Meatpacking District, der wohl vor zehn Jahren das In-Viertel gewesen war). Neben kleinen Shops, veganen Cafés gibt auch einige ziemlich coole Kneipen. In der Alligator Lounge gab’s für jedes Bier eine Pizza für umme dazu. Eine ganze.  Nicht die größte, aber mehr als genug. Das Angebot galt für jedes Bier, das man bestellt, ganz gleich ob es das erste oder das siebte war. Preis pro Bier: 6 $, ganz ok für die Gegend. Am Abend folgten wir einem Tipp, den uns der Gitarrist von  Agnostic Front vor ein paar Wochen ins Weinheim gegeben hat, als wir das Konzert von AF besuchten. In der Trashbar spielten an dem Abend insg. fünf Bands. Die vorletzte, No Small Children aus Californien, war richtig klasse. Drei Mädels, alle drei Lehrerinnen lieferten eine echt super Show ab mit einer Musik, die ich kurz als modernen Punk bezeichnen will. An der Bar gab’s für 15 $ drei Bier plus drei Kurze. Entsprechend lustig war der Abend dann auch. Die Taxifahrt zurück nach Harlem kostete nicht wie uns erzählt wurde 75 $, sonder lediglich knapp 30. Dafür komme nicht von Ka nach Bruchsal. Hier fahre ich dafür durch die halbe Stadt (Transport ist ohnehin günstig in New York. 7 Tage Metrocard kostet nur 31$).
    Williamsburg unbedingt empfehlenswert.

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    Ein ruhiger Vormittag

    Nach dem Hardcore-sightseeing von gestern schien mir heute Vormittag ein wenig Kontemplation angebracht. Meine Reisegefährten gingen shoppen, ich wollte in die Neue Galerie, die sich auf der 5th Ave befindet, ungefähr zwischen Guggenheim Museum und dem Metropolitan Museum of Art. Auf dem Weg dorthin ein kleines Frühstück (Bagel mit Frischkäse und Schwarztee). In einer kleinen, wundervoll hergerichteten Stadtvilla wird deutsche und österreichische Kunst (und Design) der Jahrundertwende (1900) gezeigt. Eine kleine, aber feine Sammlung, die ein Herr Sabarsky einst zusammengetragen hat sowie einige Leihgaben zum aus der Sammlung von Estée Lauder. Wenige, dafür nur große Namen finden sich: Klimt (u.a mit dem Bloch-Bauer II Portrait), Kokoschka, Schiele, Gerst, Kubin, Moser ( dem ein ganzes Stockwerk gewidmet ist). Nur 74 Leute dürfen gleichzeitig ins Museum, aus Sicherheitsgründen, wie auf irgendeinem Schild zu lesen steht. Entsprechend ruhig geht es zu. Ein  wundervoller Kontrast zu gestern mit den Massen am Times Square. Das Highlight des Museums ist neben dem Bloch-Bauer Porträt in meinen Augen der angeschlossene Buchladen, der vielleicht klein sein mag, aber alle relevanten Namen der Kunst und Literatur der vorletzten Jahrhundertwende anbietet. Beeindruckend.  Der Hin- und Rückweg am Central Park entlang gefällt bei strahlendem Sonnenschein besonders.

    New York City

    Gestern der erste ganze Tag in New York. Verena, die schon ein paar Mal da war, führte mich herum. So gut wie alle Sehenswürdigkeiten in Manhatten an einem Tag, sogar eine Fahrt auf der Staten Island Ferry vorbei an der Freiheitsstatue. Ein hartes Programm, das aber einen sehr guten  ersten Eindruck von der Stadt vermittelt. Die schiere Größe der Stadt, das Gewusel der Menschen darin, der allgegenwärtige Lärm, der auch nachts kaum verstummt. Klar die Straßenschluchten sind  beeindruckend, so was kennt der kleinstädtische Badener nur aus dem Fernsehen. Aber ehrlich gesagt haben mich diese riesen Gebäude eher eingeschüchtert, nach ein paar Stunden zwischen ihnen sogar beunruhigt, denn man kann zwischen ihnen den Himmel kaum sehen. Die meisten Wolkenkratzer sind einfach nur hässlich, die knappe Resource Raum effizient ausnutzend. Das Chrysler Building dagegen ist großartig mit seinen metallenen Verzierungen und den monströsen Gargoyles ein wunderschönes Beispiel einer untergegangenen Epoche (architektonisch und politisch). Von der Fähre aus konnte ich noch ein anderes Hochhaus sehen, das mit seinem steinernen Bogen zu seiner Zeit sehr beeindruckend gewesen sein muss, heute aber zwischen den gigantischen Türmen eher wie ein Puppenhaus wirkt. Der berühmte Times square ist der Gipfel der marktorientierten Welt. Krach (optisch), ein Gedränge ohnegleichen; die Menschen auf den
    Straßen, die Werbung an den Häusern.  Da muss ich nicht mehr hin. Harlem, wo wir wohnen, gefällt mir da wesentlich besser. Ein wenig schlampig und dreckig alles. Ein Restaurant, ein Fastfoodladen, ein Deli, eine Kirche, dazwischen ein paar Wohnungen. Die Leute sind laut, diskutieren und streiten offensichtlich gern. Man hört viel Spanisch und sehr oft starkt karibisch gefärbtes Englisch, das klasse klingt, mir aber zum Großteil unverständlich bleibt. Auf der Straße begegnet man Menschen aus aller Herren Länder,  und das sind nicht nur Touristen, sondern wohl Amerikaner.  Dass die USA ein Einwanderungsland ist, wird nirgends deutlicher als hier. Diese Stadt ist so spannend, man möchte länger hierbleiben.

    31.7. 2013 – Weinprobe bei Dan Aykroyd

    Mit erheblicher Verspätung ein weiterer Post über unseren Ausflug zu den Niagara Falls.
    Auf dem Heimweg von den Niagara Falls zurück nach Toronto durch eine malerische Landschaft mit schön gelegenen Häuschen, einem Paradies für Rentner, führte uns der Fahrer noch zu einer Winzerei, wenn man diesen Industriebetrieb denn so nennen möchte, in der einige der umliegenden Weingüter ihre Weine produzieren lassen, darunter auch das Weingut von Dan Aykroyd (der aus Ottawa stammt, wer hätte das gedacht, schon wieder was gelernt). Ich habe noch nie von kanadischem Wein gehört, aber ich wusste ja auch nicht, dass Dan Aykroyd Kanadier ist. Auf der Wiese hinter dem kleinen Shop der Winzerei waren unter einem Pavillon aus dem Baumarkt ein Biertisch aufgebaut.  Dort führte uns eine junge, freundliche Angestellte in die Geheimnisse des kanadischen Weins ein, mit der Frage beginnend, wer unter den Anwesenden denn gerne Chicken Wings esse. Dem zustimmenden Raunen der Besucher kam sie entgegen, indem sie sagte, dass der nun zu verköstigende Wein namens „Hatrick“, ein Cuvée aus Riesling, Chardonnay und Gewürztraminer, perfekt zu den frittierten Hühnerteilen und auch zu Spare ribs passe. Dem kann ich nicht widersprechen.  Dieser Wein war so schwachbrüstig, charakterlos und nichtssagend, dass er zu jedem Essen passen dürfte.  Ob die  nette Dame vergaß uns darauf hinzuweisen, unser Glas vor dem nächsten Wein auszuspülen oder ob das eine besondere Tradition im kanadischen Weinbau ist, jeden Wein in das Glas mit den Rückständen des vorherigen Weins zu schütten, hat sich mir nicht ersculossen. Ein französisches Pärchen, ein italienisches und wir spülten unsre Gläser dann doch aus. Europa 1 Nordamerika 0. Als nächstes präsentierte die Dame voller Stolz eines der Spitzenprodukte des hiesigen Weinbaus, einen  Eiswein, der so brutal süß war, dass ich noch immer Angst habe, Karies zu bekommen. Wie ein Schlag ins Gesicht, dieser Tropfen. Umständliche Erklärungen über Herstellung und Genuß dieses Weines folgten. Ich zitiere hier nur ein paar der Aussagen: passt zu Wodka; trinken Sie nicht zuviel davon, der Kater am nächsten Morgen ist brutal; seien Sie vorsichtig, wenn Sie zuviel davon trinken, müssen Sie kotzen.
    Wer noch Lust hatte, durfte zum Schluss noch einen roten Eiswein verköstigen, eine besondere Spezialität der Gegend. 95% der weltweiten Eisweinproduktion, vielleicht auch nur der des roten, kämen aus Kanada. Toll! Masse schlägt Qualität 1 zu 0. Vielmehr ist nach gutem kapitalistischen Grundsatz Masse gleich Qualität, da ja schließlich nur produziert wird, weil jemand kauft. Der rote Eiswein war der beste der drei Weine, aber das heißt nichts. Für einen knappen halben Liter muss man 40 $ hinlegen, umgerechnet 28 € ohne Steuern. Man pries uns auch den in kleine, stabile Flaschen abgefüllten Weins besonders an, weil dieser im Gegensatz zu dem in der herkömmlichen 0, 7l Flasche gerade wegen der Stabilität des Behaltnisses sowie der Einfuhrbestimmungen für Touristen cleveren Flaschegröße und höheren Alkoholgehalts das deutlich bessere Produkt sei. Ich habe keinen gekauft. Die gesamte Weinprobe inklusive Zeit fürs Stöbern im Sortiment der Winzerei dauerte nur knapp eine halbe Stunde. Als ich wieder in den Bus stieg, war mir schwindelig und ei leichtes Gefühl der Übelkeit stellte sicb ein. Nicht der Wein war daran schuld, sondern die Liederlichkeit, die Schamlosigkeit, die Respektlosigkeit, kurz die unfassbar geringe Wertschätzung gegenüber dem eigenen Produkt.
    Mag sein, dass man so in Sachen Wein gänzlich unkundigen Nordamerikanern das eigene Produkt andrehen kann und diese sich schön kultiviert vorkommen, wenn sie zu den Chicken Wings aus dem Eimer demnächst einen Eiswein mit Wodka, am besten noch aus dem Strohhalm, schlürfen. Für mich, und ich schließe damit die oben erwähnten Franzosen und Italiener, die mir völlig unbekannt geblieben sind, mit ein, war das eine richtig schäbige Nummer.

    Das war der längste Text, den bislang mit einem Smartphone geschrieben habe und eines ist klar, der Spaß dabei hält sich in Grenzen. Wie schön doch so eine herkömmliche Tastatur ist…