Die Unzerstörbaren

Als ich gestern Nachmittag den Wagen startete, lief „51st state“ von New Model Army. Tolles Timing, dachte ich, bis mir einfiel, dass ich gar keine CD mit diesem Lied im Auto hatte. Der Song lief im Radio, auf Deutschlandfunk!!! Dort wurde ein Feature über die Band, ihr das neue Album und die 36-jährige Bandgeschichte gesendet. Leider habe ich mehr als die Hälfte verpasst: Aber hier gibt es die Textfassung! Betitelt mit „Die Unzerstörbaren“! Das trifft sowohl auf die Band als auch auf den Sender zu, der wie ein Fels in der Brandung der von Verkaufsinteressen gleichgeschalteten Radiolandschaft in Deutschland steht. Großartig, dass so ein Beitrag noch möglich ist! Danke Deutschlandfunk!

Die Stasi und Bob Dylan

Jonny Cashs Cover von Tom Pettys „I won’t back down“ führte mich zu Tom Petty und vom Wikipedia-Artikel zu Tom Petty. Dort verlinkt die Stasi-Akte über ein Konzert von 1987 im Treptower Park. Neben Dylan spielte dort auch Tom Petty & The Heartbreakers. Nicht sonderlich spektakulär die Akte, aber kurios, worüber man so stolpert, wenn man aufs Geradewohl im Netz stöbert.

http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Aktenfunde/Bob_Dylan/bob_dylan.html?nn=2053058

 

Frank Bennett – Five o’clock shadow

Nach jahrelangem Suchen ist mir bei Ebay die CD in die Hände gefallen, direkt aus Australien wird sie kommen. In hoffentlich zwei Wochen schon. Zu bekommen ist diese CD entweder gar nicht oder nur zu horrenden Preisen. Für einen für eine gebrauchte CD immer noch stolzen Preis konnte ich sie  jetzt endlich ersteigern. Deshalb zur Feier des Tages der Link zum Cover von Radioheads „Creep“ https://www.youtube.com/watch?v=CsiP-GrbbD0

Wheeler, Briggs, Schloss & The Strokers

Ein Kollege hat mir letztens diese CD ausgeliehen, nach dem Sean Wheeler, Zander Schloss und Pascal Briggs im Antifa-Cafe „Gegendruck“, einer echt winzig kleinen Klitsche in der Altstadt von Heidelberg, akustisch aufgespielt haben. Die Platte habe ich die letzten Tage im Auto  rauf und runter gehört, mit zunehmender Begeisterung. Sie besticht durch die ersten Songs, die handgemacht folkig daherkommen und später sumpfig-rockig-punkigen Klängen weichen und dann in recht melancholische, leise Töne umschlägt. Es ist diese Mixtur und das Erdverbundene, das mich an der Platte fasziniert und betört, anders kann ich es nicht ausdrücken. Am besten tatsächlich mal bei Amazon reinhören! –  An dieser Stelle möchte ich mal auf einen fellow-blogger verweisen, der dieses neue Projekt  um Pascal Briggs (Ex-TV Smith) mit ihrer neuen Platte noch ausführlicher würdigt.

http://lieblingstape.wordpress.com/2011/01/21/pascal-briggs-and-the-stokers/

 

Pearl Jam – Ten (Collector’s Edition)

Musikalisch bin ich ein Kind der Neunziger. Dabei stellt das Jahr 1991 wohl eine Art „coming of age“ meines Musikgeschmacks dar. Mein erstes New Model Army Konzert, die Veröffentlichung Nirvanas „Nevermind“ und Pearl Jams „Ten“. Drei Ereignisse, die bis heute einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

In einem meiner vielen unvernünftigen Anflügen von nicht zu erklärendem Haben-Wollen, habe ich mir die „Ten – Collector’s Edition“ von Pearl Jam gekauft. Ein Paket bestehend aus 2xCD, 1xDVD, 4xVinyl, 1xMC [sic!] plus einem Füllhorn an nerdigen Memorabilia. Kam heute an und seit nunmehr fast 4 Stunden habe ich Freude daran.

Vordergründig am interessantesten für mich war ein Remix des Originals von 1991.
Auch wenn ich das Album schon länger nicht mehr komplett gehört habe, fällt dennoch sofort auf, dass der Sound sich unterscheidet. Deutlich weniger Hall, klare links/rechts Trennung der Gitarren auf der Bühne, das Schlagzeug wurde etwas zurückgenommen. Der Remix hat einen Live-Charakter und klingt rauer, dreckiger. Obwohl ich das Original gefühlt etwa 9 Millionen Mal gehört habe, fallen mir Kleinigkeiten auf, die bisher verborgen blieben. Die eben beschriebene Trennung der Gitarren führt dazu, dass man genau unterscheiden kann, was die beiden spielen, früher war das eher ein positiver Brei. Bei „Even Flow“, einem Stück mit romantischem Blick auf das Leben eines Obdachlosen, hörte man früher nach dem Solo nur ein unverständliches Gebrabbel von Vedder – jetzt kann man etwas wie „Man, you got a dollar?“, gefolgt von „just some spare change“ und „God bless you man“ vernehmen. Was ein bisschen Drehen an Reglern doch bewirkt;-)

Es bleibt jedoch bei diesen Kleinigkeiten, die sowieso erst beim bewussten Hören auffallen. Aber was will man an einem solchen Album noch groß verbessern? Was erwartet man? Für mich ist das ein Produkt für Fans, die bereit sind, für ein sehr hochwertig verarbeitetes Boxset etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Den Preis ist es für mich auf jeden Fall wert. Die Erinnerung an das erste Hören aufzufrischen und die Erfahrungen, die man damit verbindet, noch mal hochleben zu lassen: priceless!

Nach dem Remix-Album, das noch einige Raw-Mixes von Liedern enthält, die nicht auf dem ursprünglichen Album vertreten sind, habe ich mir die DVD des 1992er MTV-Unplugged-Konzerts angeschaut. Bisher unveröffentlicht und auch nur in meiner Erinnerung präsent, als MTV tatsächlich noch ein Musiksender war. Zwar nur 4:3, aber dafür mit sauber abgemischtem 5.1 Sound. Der Auftritt ist nicht nur musikalisch ein Highlight: Sakko und Baseballcap, absurde Hüte – wollte man die 90er Grunge-Jahre modisch einem heute 16-jährigen erklären, würde ich das als Anschauungsmaterial empfehlen, sollte der Film „Singles“ dazu nicht ausreichen;-)

Es beginnt mit dem ruhigen Oceans als Einstimmung, das mir auf Platte aber besser gefällt, gefolgt von „State of Love And Trust“, einem meiner Lieblingslieder von PJ, das auch unplugged genug Energie besitzt, um mich zu begeistern – noch dazu mit einem Eddie Vedder, der damit kämpft, seine außergewöhnliche Stimme kontrollieren zu können und mit einem immer entrückterem Blick, je länger das Konzert dauert. „Alive“, teils autobiographisch, teils Fiktion ist wohl das Lied, an das ich mich visuell wohl am besten erinnere – sowohl an das Video als auch an diese Version. Bei dem folgenden „Black“ haben Pearl Jam eine – wahrscheinlich sogar DIE – schönste Herz-Schmerz-Zeile vertont, und bei dieser Version ist das Gänsehaut pur – nur noch von der vom Publikum gesungenen Version bei der „Live at Benaroya Hall“ übertroffen:

I know someday you’ll have a beautiful life,
I know you’ll be a star
In somebody else’s sky, but why
why can’t it be mine

Was begnadete Künstler aus einer Randnotiz in einer Tageszeitung machen können, zeigt „Jeremy“ – nur ein Wort: fantastisch. Es folgen das bereits erwähnte „Even Flow“ und „Porch“, bei denen klar wird, das Vedder noch nicht weiß, was er mit seiner Unsicherheit, seiner Wut, gepaart mit vielleicht daraus resultierender Aggression, anfangen soll, wie er sie kanalisieren kann. Das Konzert dauert zwar leider nur 36 Minuten, das ist aber Zeit genug, um musikalisch Geschichte zu schreiben.

Zum Abschluss meines Pearl Jam Abends sehe ich mir nun noch „Water on the road“ an, ein Solo-Live-Konzert von Eddie Vedder, bei dem er hauptsächlich Lieder seines großartigen Albums „Into the wild“ spielt. Gut zum runterkommen und um Danke zu sagen – Danke, dass es euch gibt.

Morgen werde ich mir den Rest des Pakets anhören und anschauen,

„Bring den Vorschlaghammer mit, wenn du heute Abend kommst“ – Element of Crime in Mannheim (12.2.2011)

Irgendwie war die Stimmung ein wenig aggressiv. Neben mir beschimpften sich zwei: „Dumme Fotze“, „Fick dich!“. Nicht unbedingt außergewöhnlich bei einem Konzert, wo jungen Menschen vom Alkohol und der Erwartung des Konzerts aufgestachelt, ein bissl durch den Wind sind. Aber weder waren gestern junge Menschen in größerer Anzahl anwesend noch schienen die Leute dem Alkohol besonders zugesprochen zu haben.

Devotionalien

Da ist das Ding! Endlich. In einem schnöden weißen Plastiksack (fragt mich nicht, warum, das Paket darin war intakt) wurde die Box geliefert… Großartig!!!

Es fehlen noch ein paar Cover-Arts, wollte nicht zu viel auf das Foto quetschen.

Oh, sorry! Das Bild ist in der Vergrößerung unscharf. Mein Handy mag wohl die Lichtverhältnisse hier nicht…

20.10.2010 – Morcheeba in Mannheim

Die alte Feuerwache in Mannheim war ausverkauft. Mit deutscher Gründlichkeit lief der Abend ab. Pünktlich um 20 Uhr spielte die „Vorgruppe“ auf; ein Sing-Songwriter aus Grönland. Simon Lynge ist angebliche der erste Künstler dieses Genre, den die Inuit hervorgebracht haben. Angeblich ist er auch der erste seines Volkes, der jemals eine Platte veröffentlicht hat. Wie auch immer, es schien, als habe er in Grönland wenig Gesprächspartner für einen Gedankenaustausch. Gestern hatte er zwar auch keine, aber immerhin ein gut gelauntes Publikum, dem er seine Ausführungen zu seinen Songs mitteilen konnte. Seine Songs blieben leider etwas blass, was immerhin zu seiner Stimme gepasste. Vielleicht sollte man sich mal in Ruhe seine Platte anhören, um sich ein genaueres Bild von seiner Kunst zu machen, ohne einem vorschnellen Urteil zu verfallen. Er hatte auch lediglich eine gute halbe Stunde, um sich zu präsentieren, und das wohlmeinende Publikum zollte brav Respekt in Erwartung von Morcheeba.

Um Punkt neun gaben sie sich die Ehre und  im Laufe des 1h und 20min dauernden Konzerts blieben sie dem Publikum eigentlich nichts schuldig. Ihre  Musik erzeugte  eine entspannte Atmosphäre, die sich mit der Zeit ins Ausgelassen-Heitere mit leichtem euphorischen Einschlag steigerte. Die großartige Stimme von Skye Edwards domininierte in ihrer sanften Art den kompletten Abend. Was wäre Morcheeba ohne Skye Edwards. Das hat man wohl im vergangenen Jahr erkannt, nachdem man in kurzer Zeit eine gute Handvoll Sängerinnen verschlissen hat. Erst seit letztem Jahr ist Sky Edwards wieder dabei, Gott sei Dank.

Nach nur knapp einer Stunde war das Set durch. Die braven Mannheimer wollte mehr und bekamen es schließlich auch. Die ca. 20 Minuten Zugabe waren schlicht stark. Ein Konzert zum wilden Abzappeln war es erwartungsgemäß nicht, eher auch dank der Lichtshow eines, das den Einsatz bestimmter Stimulanzien nahelegt, um den ganzen Reiz der Show umfassend zu genießen. Einige der Zuschauer schienen das begriffen zu haben.

Ein Abend mit Wolfgang Ambros

Nach Textzeilen wie

Ich fühl‘ mich wie der Jesus
Mir tut das Kreuz so weh
oder

es lebe der Zentralfriedhof oder

meine Herrschaften – heroinspaziert oder

wen er einmal gerufen hat – den holt er sich auch – Der Watzmann

fühle ich mich irgendwie so – hmm – analog. Da passt es wie – verzeihung – Arsch auf Eimer, dass ich heute eine Werbung von Hülsta sah, die ich ganz einfach großartig finde, und  die es für mich auf den Punkt bringt, obwohl mir das tanzende Etwas im Vordergrund etwas überflüssig erscheint und ich die blanken Zahlen als unwichtig empfinde. Die schiere Wucht, von Musik erschlagen werden zu können, ist für mich Aussage genug – also – werft Ipods nach mir und versucht mich zu treffen.

Once

once

Einfach alles anders machen, mit kleinem Budget und auch sonst sehr beschränkten Mitteln. Mal den umgekehrten Weg beschreiten: Musiker spielen Schauspieler – nicht andersherum. Das ganze noch mit einer feinen Geschichte und fantastischem Soundtrack versehen, schon ist die Idee eines Independent-Films auch ganz nah dran am sonst so unwahrscheinlichen kommerziellen Erfolg geboren.
„Once“ erzählt die Geschichte zweier Namenlosen dicht am Rande der Gesellschaft. Hier bin ich schon beim ersten bemerkenswerten Alleinstellungsmerkmal: Die zwei hauptdarstellenden Musiker, im wahren Leben Glen Hansard (The Frames) und Markéta Irglová, stellen sich für den Zuschauer nie namentlich vor. Zwei unbekannte, die sich zufällig auf der Straße bei des Mannes eigentlicher Leidenschaft – seine Lieder in den Einkaufsstraßen Dublins mit niemals gespieltem sondern stets wahrem Herzblut darzubieten – lernen sich über Nebensächlichkeiten (ihr kaputter Staubsauger, den er, gelernter Staubsaugerreparateur, reparieren kann) kennen. Sie finden schnell heraus, dass für beide die Musik ein nicht unerheblicher Bestandteil ihres ansonsten tristen Lebens ist. Geblendet von zu viel Hollywood-Schund malt man sich schon die weitere Geschichte aus: der erste Kuss, Schwören der ewigen Liebe, Plattenvertrag und Erfolg bis zum Abwinken. Nicht hier. Die zwar vorhandenene aber niemals gespielt wirkende Annäherung der beiden verläuft fast schon kindlich naiv. Die Schlüsselszene des Films findet in einem Musikgeschäft statt.

Fiona Apple – Tidal

Fiona_Apple_._Tidal

„This world is bullshit, and you shouldn’t model your life on what you think that we think is cool,
and what we’re wearing and what we’re saying.“

Zugegeben: Ganz dicht ist die Frau nicht. Wer will es ihr verdenken. Frühe Scheidung der Eltern, vergewaltigt mit 12, unzählige Therapien, klar dass da was hängen bleibt. So könnte man vielleicht auch das Skandälchen erklären, das sie bei den MTV-Music-Awards 1997 auslöste. Sie war der Meinung, sie sei nur nominiert worden, weil sie sich halbnackt in ihrem Video zu „Criminal“ in der Badewanne räkelte, und schon lässt sie sich zu dem wahnsinnig prvozierenden Satz „Diese Welt ist ein Stück Scheiße“ (gemeint ist die Welt der Musikindustrie, Anm.d.A.) hinreißen. Puh. In der prüden amerikanischen Medienlandschaft natürlich untragbar – hierzulande würde es ihr gerade mal eine Kurzmeldung bei Explosiv einbringen – wenn überhaupt. Zu allem Überfluss lebt sie auch noch vegan.

Das ist aber zum Glück alles nicht wichtig – hier geht es um ihre Musik, und schließlich
machen die Verrückten unter den Normalen die beste Musik – oder war es umgekehrt?

Ihr Album Tidal strotzt nur so von diesem stetigen Hin- und Hergerissensein zwischen Geniali- und Banali-tät. Beginnt es noch mit treibendem, dennoch stets feínem Hi-Hat, untermauert von grollenden Synthies und immer wieder aufkommenden Dissonanzen, verschwindet die erste Nummer „Sleep to Dream“ spätestes beim leidlich versteckten Refrain in Belanglosigkeit.

Nicht so beim zweiten Stück „Sullen Girl“ – es schreit mich mit Ruhe und Gelassenheit an:
„But he washed me shore and he took my pearl – And left an empty shell of me.“
Unendliche Leere und Verständislosigkeit gepackt in 04:30 – ohne Worte.

„Shadowboxer“ kommt dann wieder sehr blueslastig und schwach daher. Eine Nummer, die zwanghaft um einen eh schon recht müden Refrain gestrickt wurde – nicht gerade ein Anspieltip.

„Criminal“ klingt wie eine Mischung aus PJ Harvey und den Beatles, ist dafür aber eigentlich zu sehr Pop. Tja, wenn da nicht das fast schon unecht und schwer klingende Piano- und Flötenthema wäre, das ständig wiederkehrt, was mich zum ersten Gedanken zurückbringt – es ist eine Mischung aus den Erstgenannten. Fast schon leichte Free-Jazz Ansätze in den letzten 1:30.

Money Quote:
„And its a sad sad world,
When a girl can break a boy
Just because she can“

Bei „Slow Like Honey“ kommt fast rauchige Bar-Atmosphäre auf, Nina Simone oder die frühe Sade lassen stimmlich grüßen – klassischer Slow-Whiskey-Jazz in der Hotelbar um 4 Uhr. Hat was.

Die nächsten Stücke bilden den Mittelteil des Albums und sind sehr variabel. Uptempo-Bossanova, verletzliche Kopfstimme, weinerliche Streicher und wieder Bar-Blues. Wenn Fiona dann bei „The Child Is Gone“ singt „I’m a stranger to myself“, dann nimmt man ihr das einfach so ab.

Der Snare-Besen unter „Carrion“ streichelt die Melodie und perfektioniert das Lo-Fi, der überraschende Break, der quasi ein völlig anderes Lied einleitet ist etwas holprig, dennoch versinkt man im weichen Bassbett. Der folgende Refrain zerstört leider das eigentliche Lied, jedoch rettet das herrlich hingerotzte Solo wieder vieles.

Fiona Apples Stimme vereint ständig Gegensätze, mal wütend mal zuckersüß, mal verletzlich mal austeilend, und das überträgt sich auch auf ihre Lieder…

Sigur Rós – ()

Im Artikel zum Amiina-Album erwähnt ist es nun an der Zeit, diese Band vorzustellen. Sie spielte auf dem Southside – damit hättest du mich beinahe rumgekriegt Homberle – und ich muss sagen, ich kann mir diese Art von Musik nicht unter freiem Himmel vorstellen, zumindest nicht in der Sonne, vielleicht bei Nacht oder Sonnenaufgang. Außerdem glaube ich, dass ein Großteil des Publikums sicher eher irritiert sein würde, denn die Musik der Isländer unterscheidet sich doch sehr von der der anderen Bands, die dort auftreten.
Naja, am 11.8. werde ich die Band im Palladium in Köln sehen, das sollte ein besserer Rahmen sein.
Es fällt mir schwer diese Art von Musik zu beschreiben. Der blinde Sänger spielt seine Gitarre mit einem Geigenbogen. Entsprechend ruhig und elegisch klingt es. Nein, ruhig ist das falsche Wort. Vom Tempo her gehört die Musik dieser Platte sicher eher in die Ambient-ecke, vor allem das Piano erinnert an Brian Eno, den Erfinder des Ambient. Entspannt klingt die Musik ebenfalls nicht. Vielleicht hilft ja der Text weiter – – – Es gibt keinen. Auf anderen Platten bedienen sich Sigur Ros ihrer finnischen Muttersprache, aber hier ist es nur Gesang. Gesang in seiner vielleicht ursprünglichen Form. Melodische Lautmalerei.
Eine Handvoll dieser Klangbilder dominieren dieses CD, beständig wiederholt und in sanft variierende Melodien eingebettet. Es scheint, als ob die Melodien um ihren Mittelpunkt kreisen, in dem Versuch diesem unhörbaren Zentrum im zerfließenden Klang der einzelnen Klangbilder so nahe wie möglich zu kommen. So wie ein Ast den ganzen Tag vom Wind aus seiner ursprünglichen , seiner ihm angemessenen Lage, leicht nach links, rechts, oben oder unten gedrückt wird. Ohne diesen Wind käme er zur Ruhe. Und so ist die absolute Melodie, nach der diese Platte sucht, eine ,die sie nie erreichen kann, ohne sich selbst zu verlieren: die Ruhe, das Schweigen. In der Stille transzendiert sich die Musik selbst.
Gesang und Melodie sind auf demselben unmöglichen Weg. So hat diese Platte einen durchaus tragischen Charakter. Im Laufe der CD steigert sich Melancholie der Beginns zu einer Apologie des Schmerzes über den Verlust der Stille im Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit der Mittel, ein Schmerz über das einmalige Durchbrechen der Grenze zum Klang. Dieser Weg ist nicht umkehrbar, wie die Zeit, und auch nicht in einer vorausschreitenden, sich immer weiter vom Ursprung entfernenden Progression wieder zu erlangen. Was bleibt ist der Versuch allein und vielleicht eine tief empfundene Ahnung, dass das Ende mit dem Anfang zusammenfallen könnte.
Ein fundamentalontologisches Problem wird also auf dieser Platte in Form der Musik in der ganzen Bitterkeit des absoluten Dilemmas in dunklen Farben gemalt, die nur vom Kern der menschlichen Seele, zu dem die Kunst allein zu dringen vermag, erfasst werden können.
Das Leben als Gleichung zwischen Finden und Verlieren, die immer einen negativen Rest zu haben scheint.
Bildlich symbolisiert dies das Cover, das zwei Klammern zeigt, die nichts einklammern von nichts eingerahmt sind. Letztlich sind sie selbst der Rahmen, der Beliebiges zusammenfügen kann, um dem Wahllosen einen Sinn zu geben. Somit wirkt das Cover als retardierendes Moment dieser Platte.
Das Bild aus dem Amiina-Artikel ist an dieser Stelle zu Ende zu bringen. Klang jene Platte wie ein Blick aus einer heimelichen Hütte in dunkler Nacht nach einem etwas verspäteten Wanderer, so klingt diese wie der letzte Blick des Wanderers hinab auf die helle und warme Hütte in der eiskalten Nacht, bevor er sich abwendet und in den schroffen Hügeln Islands verschwindet.