Bücher kaufen bei Thalia

Man hört immer mal wieder, die Buchhandelskette Thalia habe Probleme mit dem Umsatz und das obwohl (oder gerade weil) sich die Thaliafilialen in bester Shoppinglage befinden. Ich bin kein Betriebswirt und auch kein Unternehmensberater, aber vielleicht liegt es daran, dass auf einer gefühlten Hälfte der Verkaufsfläche überhaupt keine Bücher verkauft werden. Schreibwaren und Geschenkartikel sind ja schon lange Bestandteil des Sortiments, aber vor ein paar Tagen sah ich in der Kinderbuchabteilung, dass in einem Großteil der Regale Playmobil und Legospielzeug zum Verkauf angeboten wird. Vielleicbt ist gerade das das Problem von Thalia, sie schätzen ihr eigenes Produkt (das Buch) so wenig, dass sie lieber anderes verkaufen, um Umsatz zu machen. Das ist in meinen Augen Offenbarungseid. Die Welt der Bücher ist so vielfältig, aber in einer Thaliafiliale herrscht eine Monokultur von Bestsellern und buchfremdem Ramsch, dass man sich eher wie in einem Restpostenmarkt fühlt.  Ein Buch zu kaufen kann ein sinnlich-emotionaler Akt sein, getragen von dem Gefühl etwas Wertvolles/Schönes erstanden zu haben. Bei Thalia kauft man einfach irgendein Buch neben anderen Artikeln, wie in einem Supermarkt. Eine Buchhandlung, die das oben beschriebene Gefühl zu erzeugen vermag, wird auf Dauer erfolgreich sein. Und Thalia wird vielleicht gerade deshalb verschwinden.

Was Antiquarite mit ihrem Altpapier machen

Um meiner Not abzuhelfen, habe ich mir eine Ausgabe von Herders Werken aus den gut bürgerlichen „Meyers Klassikerausgaben in 150 Bänden“ (Herder belegt immerhin vier davon) aus den 1890er Jahren online bei einem Antiquariat bestellt. Die Ausgabe ist in einem hervorragenden Zustand, keiner der vier Bände wurde intensiv benutzt, mancher noch nie aufgeschlagen. Dies verrät einen Hauptverwendungszweck der Reihe: Repräsentation und Demonstration von Bildung im bürgerlichen Wohnzimmer.  Wie auch immer, diese Auswahl taugt für meine Zwecke. Was aber etwas nervt, sind die Unmengen von Zeitungspapier, in die der umsichtige Buchhändler die Bücher verpackt hat. Gefühlt wurden mir zu den Büchern drei komplette Zeitungen mitgeliefert. Weniger hätte hier auch nicht geschadet, ich hätte bestimmt Versandkosten sparen können, hätte man mir  weniger Abfall geschickt. Aber Versandkosten zahle ja ich. Die sind dem Versender egal. Und so kann er auch noch sein Altpapier los werden. Danke für gar nichts. Das Bild zeigt den Haufen Abfall. Wer genau hinsieht, erkennt vielleicht sogar die Bücher.

Johann Gottfried Herder und der deutsche Buchmarkt

Herder ist einer der bedeutendsten Köpfe der deutschen Aufklärung, ja der deutschen Geistesgeschichte überhaupt, Ein Mann, dessen Werk eine unglaubliche Wirkung entfaltet hat, und das nicht nur auf den jungen Goethe.

Über die Bedeutung von Johann Gottfried Herder braucht man nicht zu streiten, er gehört zu den ganz Großen. Dennoch exisitiert auf dem deutschen Buchmarkt, der jedes Jahr 100.000 Bücher neu auf den Markt wirft, soweit ich sehe, keine moderne, kompakte, wissenschaftlichen Standards genügende Ausgabe seiner Werke, die für einen akzeptablen Preis erhältlich wäre. Die Ausgabe des Hanser Verlages nimmt 80 bis 100 Euro pro Band, die beste moderne Ausgabe des Deutschen Klassikerverlages (ich glaube 10 bändig) 100 bis 120 Euro pro Band. Einzelausgaben bestimmter Werke sind selbstverständlich erhältlich, so z.B. bei Reclam.

Neil MacGregor – Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Ein beeindruckendes Stück Buch liegt davor einem. Wuchtig und schwer, 800 Seiten dickes Papier. Es soll sicherlich auch ein Gegenstand zum Repräsentieren sein, einer, mit dem man Bildung vorweist, sich als historisch-kulturell Interessierter positioniert. Darüberhinaus ist es aber auch einfach ein schönes Buch, das man gern in der Hand hält,  auch wenn es aufgrund seines Formats etwas unhandlich ist. Der Autor ist (zumindest war er das beim Erscheinen des Buches) Direktor des Britischen Museums in London. Er stellt in diesem Buch 100 Objekte aus dem riesigen Fundus des Museums vor, anhand derer er die menschliche Geschichte ausschnittsweise darstellt. In 100 Kapiteln beschreibt er nicht nur die einzelnen Objekte, stellt sie in ihren historischen Zusammenhang und verknüpft sie mit anderen Gegenständen aus anderen Teilen der Welt oder aus verschiedenen Zeiten, vielmehr schafft er es dadurch, die vielen Gemeinsamkeiten der so zahlreichen menschlichen Kulturen und Zivilisationen gerade in der ungeheuren Vielfältigkeit und Diversität kultureller Erzeugnisse deutlich zu machen. So entsteht ein liebenswertes Buch, das vielleicht nicht die zünftigen Historiker verschiedenster Spezialgebiete zufrieden stellt (dafür sind die Beschreibunungen und Interpretationen der Gegenstände zu einfach, was aber dafür dem ursprünglichen Anlass, einer Radiosendung der BBC, sehr gut entspricht), dafür aber alle historisch Interessierten faszinieren kann. Dass dem ein oder anderen das eine oder andere Objekt zu fehlen scheint, liegt in der Natur einer solchen Zusammenstellung. Das muss man aushalten oder das Buch aus der Hand legen.
Das Buch ist aber auch ein Zeugnis der Vergeblichkeit menschlicher Anstrengung. Wieviel Kunstfertigkeit, wieviel materieller, produktiver oder kognitiver Aufwand steckt nicht in diesen Objekten, die alle einmal zu einem bestimmten Zweck hergestellt und verwendet wurden. Hergestellt von Menschen , die in Kulturen gelebt haben, von denen oftmals nicht viel mehr geblieben ist als ein paar dieser Artefakte wie zum Beispiel der Ritualsitz der Taino, einer untergegangenen Kultur in Mittelamerika. Hergestellt um Göttern oder Königen zu huldigen, deren Namen heute niemand mehr kennt, deren Religionen, Tempel, Reiche und Paläste vergessen und zerstört sind. Da kann man ruhig mal melancholisch werden. Aber daneben ist es auch ein eindrucksvoller Beleg für die Unerschöpflichkeit der menschlichen Kreativität in allen Bereichen menschlicher Kultur und somit ein Buch, das letztenendes den Menschen in erster Linie als kulturschaffendes Wesen begreift, was einen eher hoffnungsvoll statt melancholisch stimmen sollte.

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