In einem Abschnitt des „Rheinischen Hausfreundes auf das Schalthar 1808“ über Fliegende Fische heißt es: „Denn gewisse Vögel fliegen über dem Wasser her und hin, und stellen den Fischen nach, können ihnen aber nichts anhaben so lang diese daheim im Wasser bleiben, wohin sie gehören. Wenn aber ein solcher Luftkrieg zwischen ihnen angeht, so wird bald der Fliehende, bald der Feind, bald beide von dem Vogel, der das Fliegen besser versteht, erhascht, und kommen ihr Lebenlang nimmer ins  Wasser.“

Man könnte an dieser Stelle leicht die Faszination für Hebel deutlich machen, der aus einer anderen Welt stammt als wir. Einer Welt, in der alles noch seinen Platz hat, die geordnet ist und irgendwie sinnvoll eingerichtet ist. Nicht vom Lebensraum des Fisches spricht Hebel, sondern von dessen Heimat, ein Begriff der nicht den kalten, gewalttätigen Unterton hat wie die Begrifflichkeiten nach Darwin.

Aber das ist nicht mein Thema. Mir fiel das Wort „Luftkrieg“ auf. Ich weiß nicht, ob das das erste Mal ist, dass dieses Wort in der deutschen Literatur auftaucht. Möglich wär’s… Wenn man das Wort heute hört, was fällt einem nicht alles ein: die heroische verbrämte Frühzeit des militärischen Einsatzes von Flugzeugen im Ersten Weltkrieg, Stichwort  Von Richthofen, Immelmann etc. Der Einsatz der Legion Kondor im Spanischen Bürgerkrieg und die unzähligen Bombardements ungezählter Städte im Zweiten Weltkrieg, V2-Raketen. Hiroshima, Gunships, Napalm, Agent orange in Vietnam, Präzisionsbomben im ersten und zweiten Irakkrieg, unbemannte Drohnen, die ferngesteuert operieren in Afghanistan und anderswo. Mir scheint die moderne Kriegsführung im herkömmlichen Stil auf der Durchsetzung und Herstellung der Luftüberlegenheit über den Gegner zu beruhen. Dieses anonyme, distanzierte Art der Kriegsführung ist für das 20. Jahrhundert wohl typisch und der Begriff „Luftkrieg“ ist einer, der mehr als nur Unbehagen auslöst. Wie anders doch noch bei Hebel. Am Ende dieser Episode gibt er dem „Luftkrieg“ der Fliegenden Fische zuerst eine deutlich komische Wendung: „Und dazu lachen die Fischer.“ Anschließend gemäß dem volkspädagogischen Zweck des Rheinischen Hausfreunds schließlich die Übertragung des beobachteten Naturvorgangs auf das Leben der Menschen (kurz gesprochen: wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte). Die Geschichte hat den Begriff „Luftkrieg“ aus dem Bereich der Natur und ihrer letztlich transzendenten Vorbildlichkeit für die menschliche Moral entzogen. Er ist zu einer Metapher für die Durchsetzung von Politik und Ideologie mit militärischen Mitteln in der modernen und postmodernen Welt geworden…


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