Ich gebe zu, dass ich mittlerweile fast alle Bücher online kaufe. Manchmal beschleicht mich da ein bischen ein schlechtes Gewissen. Man sollte doch den lokalen Buchhändler unterstützten. Ehrlich gesagt gibt es in meiner Umgebung keinen solchen Buchhandel mehr. Und wenn es einen gäbe, dann wäre das Sortiment wohl dem der großen Buchsupermärkte so weit angepasst, dass ich dort ohnehin nicht das finde, wonach ich nicht gesucht habe. Denn wer sucht schon in einem Buchladen. Man geht dorthin, um zu finden.

Immerhin kommt es vor, dass ich hin und wieder in der Innenstadt durch eine Filiale einer Buchhandelskette gehe, mehr aus touristischem Interesse als um ein Buch zu kaufen. Festlich dekoriert und blühend bunt ist dieser Laden. Einmal fragte ich dann doch nach einem Buch, wenn man denn schon mal da ist… Aber Hermann Broch kannte die nette Dame mittleren Alters leider nicht. Beim Titel klingelte es dann scheinbar doch. Zumindest bei dem Namen Vergil. Wenn ich etwas über Römer lesen wolle, könne sie mir einen spannenden historischen Roman empfehlen. Nein danke! Also kein Broch in diesem Haus. Ich inspiziert unruhig die „Klassiker-Ecke“. Immerhin Mann, Joseph Roth und ein paar andere fanden sich da. Einiges hinter Glas. Klassiker sind halt was besonderes. Was für’s Leben, was zum Repräsentieren. Da darf’s auch gerne etwas teurer sein. Auf meinem Weg nach draußen wehrte ich mich dagegen in  Gedanken mal wieder den Untergang des Abendlandes zu beschwören. Die üppig ausgestattete Lebenshilfe- und Esoterik-Ecke half da nicht besonders. Ratgeber, Heilkundebücher, Halbedelsteine und Engelfiguren aus Gips! Was heute alles in einem Buchhandel zu haben ist. Sogar Schokolade mit so richtig lieben und netten Sprüchen drauf, die auch dem labilsten Mauerblümchen den grausamen Alltag zwischen all den unsensiblen Menschen erträglicher macht. Schokolade statt Broch. Von mir aus! Ich bestellte den Roman im Netz.

Gestern konnte eine andere nette Dame in einer anderen Filiale derselben blühenden Kette auch nicht weiterhelfen. Mit niedrigen Erwartungen suchte ich nach dem ersten Maigret-Roman von Simenon. Leider war der Name der Buchhändlerin kein Begriff. Mehrfach vertippte sie sich, als sie ihn im Computer suchte. Nein nicht Simon! Si- me- non! Dass man keinen Broch mehr im Sortiment hat, damit kann man sich noch abfinden. In einem Supermarkt bekomme ich eben auch keinen weißen Trüffel. Aber Simenon. Ein Krimiautor. Wo sich doch dieses Genre seit Jahren besonderer Beliebtheit erfreut. Wie oft wurde die Maigret-Romane verfilmt. Seit dem ersten Roman in den 20 Jahren sicher alle 15 -20 Jahre. Mehrere Fernsehserien wurden produziert. Heinz Rühmann, Jean Gabin, Richard Harris haben den Pariser Kommisar gespielt. Ohne zu übertreiben gehört Simenon zu den v ier oder fünf meist gelesenen Kriminalautoren des 20. Jahrhunderts. Natürlich muss man Simenon nicht kennen. Man kann auch ohne ihn ein glückliches Leben führen, die Buchhändlerin scheint ja der beste Beweis zu sein. Aber jemand, der sein Geld mit dem Verkauf von Bücher verdient, muss einen solchen Schriftsteller kennen. Diese ganze Episode zeigt doch ganz klar, dass der Buchhandel zu einem Supermarkt geworden ist. Das Sortiment ist orientiert an Marktanalysen und auf den größtmöglichen Absatz ausgerichtet. Und wie die Mitarbeiter in einem Supermarkt ja auch nur Regale auffüllen und Packungen über den Scanner ziehen und mir eben keine qualitative Auskunft über ein Produkt geben können, weil eine entsprechende Schulung zu teuer ist und eben  sich nicht unmittelbar im Umsatz niederschlägt, so sind die großen Buchhandlungen heutzutage ebenfalls nur noch Unternehmen, die ohne Anspruch einfach nur irgendwelche Produkte verramschen. Da helfen auch die eventmäßige Aufblähung, die Integration von Cafés und die Schaffung von Leseatmosphäre in diesen Läden nicht, um darüber hinweg zu täuschen.  Wie in anderen Branchen auch ist ja gerade die Inszenierung des Einkaufs zum Event der Beleg für den eigentlich  sinnentleerten Konsum. Auch diese Episode wird das Abendland überstehen.


4 Kommentare

Wenke Richter · 06.01.2010 um 11:28

Der Beitrag berichtet über eine Tendenz, die im Buchhandel bei den großen Filialisten seit einigen Jahren zu beobachten ist. Das Ganze geht dann noch weiter, wenn ein Teil der Angestellten entweder nicht willens oder aus Mangel an Kenntnissen das VLB nicht kennen. Wenn ein Buch in der firmeneigenen Datenbank nicht erscheint, so wird der Kunde mit den Worten entlassen: „Recherchieren Sie mal selber im Netz“ Ja, das ist Service. Aber es geht auch anders, daß zeigen die privat geführten Buchhandlungen. Engagiert, kenntnisreich und hilfsbereit werden dort Bücher verkauft. Deswegen suche ich nach diesen Buchhandlungen und bin immer gut aufgehoben! Hier liegt eben der große Unterschied zwischen Filialisten (auch dort gibt es Ausnahmen) und den persönlich geführten Buchhandlungen.

Viele Grüße
Wenke Richter, Meine Verlag

Tine · 06.01.2010 um 11:20

Bis vor ein paar Monaten, dachte ich auch, das es nur noch diese großen Unpersönlichen Läden gibt. Aber gottlob wurde ich dann eines besseren belehrt, als im September09 im Nachbarort eine kleine aber feine Buchhandlung aufgemacht hat. Sicher sie haben nicht alles sofort im Regal, aber sie bestellen alles – in der Regel bis zum nächsten Tag. Und nach 2 Bestellungen wurde ich schon mit Namen angesprochen und egal welches Buch ich bisher fragte, sie wußten etwas darüber.
Wenn ich also neue Bücher kaufe, weiß ich wo mein erster Ansprechpartner dafür ist.

Jutta Baur · 06.01.2010 um 11:04

Buchhandlungs-Kette (der Name allein verdreht nicht nur die Zunge, sondern auch den Magen):
Ich gestehe, dass ich immer dann dorthin gehe, wenn ich „nichts bestimmtes“ suche. Dann, wenn ich von einem Buch gefunden werden möchte. Dass ich dabei nicht auf geheime Schätze stoßen werde, ist mir klar. Und doch erliege ich der bunten, gestreiften Werbung und verlasse eine solches Geschäft stets mit allerlei Gedrucktem.
Mein zweites Geständnis: Auch ich kaufe die wichtige Lektüre online. Der Buchhändler meines Vertrauens ist seit Jahren in Rente. Wahrscheinlich bin ich mit schuld daran, dass er sich so früh aufs Altenteil zurück zog.
Was also tun? Das Lese-Leben als ein Buffet betrachten und sich das nehmen, was man mag? Völlig richtig:“Auch diese Episode wird das Abendland überstehen.“

Schoschie · 06.01.2010 um 10:42

Den Eindruck hab ich bei Thalia, Hugendubel & Co jedesmal und erwarte da auch nicht viel. Wobei ich es auch schon mehrfach erlebt habe, dass die Leute dort zumindest ihren Fachbereich überblickten und wussten, was da war, und wo es lag, und was nicht. Der Unterschied zu Amazon & Co ist ja auch hauptsächlich: man kann in den Laden reingehen, sich das Buch raussuchen, das einen interessiert (wenn es denn da ist), es durchblättern und bei Bedarf direkt mitnehmen. Ich räume aber ein, dass ich eher ein Fachbuch- denn Literaturinteressent bin.

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