Die Nachrichten schreiben vom Sturmtief Daisy. Das Land versinke im Chaos, von Schneechaos ist die Rede, ja sogar zu Hamsterkäufen wird von Experten geraten. Und außerdem zeigt RTL auch noch den Endzeit-Porno „The day after tomorrow“. Da funktioniert die Mechanik der Panikmache wie ein Uhrwerk. Hand in Hand, quer durch die Medienlandschaft wir der Untergang prophezeit, mal wieder. Dass es auch diesmal keiner ist, ja dass der Sturm harmloser blieb, als von den vielen Experten vorhergesagt, ist im Grunde ja auch nebensächlich. Hauptsache die Schlagzeile stimmt.

Interessant ist aber die Rhetorik, mit der man die Parolen des Untergangs anschlägt. Das klingt alles erstmal recht militärisch – „Kampf gegen die Schneemassen“ – und steigert sich manchmal sogar bis ins Apokalyptische – „Norddeutschland versinkt im Chaos“. Dass Naturgewalten gerne personifiziert werden, ist ja bereits an der Namensgebung zu erkennen. Darüber hinaus dient dieser rhetorische Kniff aber auch dazu, die Wucht der Schlagzeile zu steigern: „Daisy hat das Land fest in der Hand“, oder so ähnlich dürfte das dann klingen.

In den USA geht’s, wer hätte das gedacht, noch ein ganzes Stück schärfer zu. Dort kämpft man nicht gegen eine Naturgewalt oder ein bestimmtes soziales oder wirtschaftliches Problem; man führt dagegen Krieg. An der Wendung „War on poverty“ kann man das ablesen.

Interessant bleibt aber die Tatsache, dass mir hier im alten Europa die Menschen doch etwas gelassener der ganzen Sache gegenüberzustehen scheinen. Man ist ja schließlich versichert. Die Versicherung springt im Schadensfall ein. Sicherlich kann eine abgeschlossene Versicherung keinen Unfall verhindern ,aber sie mildert die Folgen ganz oder sogar teilweise. Und man weiß das im Voraus. Dieses Vorher-Wissen schafft ein Gefühl der Sicherheit gegenüber dem Unwägbaren. Mag es unwägbar bleiben und mag das Schicksal in welcher Form auch immer, wann auch immer zuschlagen, gegen die meisten Dinge kann die Versicherung Abhilfe schaffen. Nicht gegen die wirklich schlimmen Dinge natürlich. Da hilft auch keine Versicherung mehr.

Sollten demnach die Amerikaner, die ja aus unserer Sicht geradezu fahrlässig unterversichert sind, mehr Angst haben vor den Unwägbarkeiten des Wetters zum Beispiel? Nein, das scheint mir nicht der Fall zu sein. Was ihnen hilft, ist ihre starke, vielfach auch überstarke Religiosität. Sie beziehen ihre Versicherung gegen das Unwägbare aus dem Unwägbaren. Diese Haltung ist bei uns Europäern offenbar überwunden, vor allem wenn ich an die leeren Kirchen und die steigenden Kirchenaustritte denke. Wir haben das Verhältnis von Ich zu Gott profanisiert in ein Vertragsverhältnis von Ich zu Versicherungsgesellschaft. Die Zuwendungen, die in den USA die Kirchen einstreichen, wandern bei uns in die Taschen der Aktionäre der Versicherungsgesellschaften. So haben die Versicherungen im alten Europa einen beträchtlichen Anteil an der aufklärerischen Tendenz der Moderne. Wer hätte das gedacht.

Kategorien: Gedanken

2 Kommentare

lynkeus · 12.01.2010 um 21:09

Danke für den Link. Klasse Bericht!

homberle · 12.01.2010 um 20:11

Auch sehr schön zu dem Thema: ein Gastkommentar von Jörg Kachelmann bei Stefan Niggermeier. Un-fass-bar.

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