Musikalisch bin ich ein Kind der Neunziger. Dabei stellt das Jahr 1991 wohl eine Art „coming of age“ meines Musikgeschmacks dar. Mein erstes New Model Army Konzert, die Veröffentlichung Nirvanas „Nevermind“ und Pearl Jams „Ten“. Drei Ereignisse, die bis heute einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.

In einem meiner vielen unvernünftigen Anflügen von nicht zu erklärendem Haben-Wollen, habe ich mir die „Ten – Collector’s Edition“ von Pearl Jam gekauft. Ein Paket bestehend aus 2xCD, 1xDVD, 4xVinyl, 1xMC [sic!] plus einem Füllhorn an nerdigen Memorabilia. Kam heute an und seit nunmehr fast 4 Stunden habe ich Freude daran.

Vordergründig am interessantesten für mich war ein Remix des Originals von 1991.
Auch wenn ich das Album schon länger nicht mehr komplett gehört habe, fällt dennoch sofort auf, dass der Sound sich unterscheidet. Deutlich weniger Hall, klare links/rechts Trennung der Gitarren auf der Bühne, das Schlagzeug wurde etwas zurückgenommen. Der Remix hat einen Live-Charakter und klingt rauer, dreckiger. Obwohl ich das Original gefühlt etwa 9 Millionen Mal gehört habe, fallen mir Kleinigkeiten auf, die bisher verborgen blieben. Die eben beschriebene Trennung der Gitarren führt dazu, dass man genau unterscheiden kann, was die beiden spielen, früher war das eher ein positiver Brei. Bei „Even Flow“, einem Stück mit romantischem Blick auf das Leben eines Obdachlosen, hörte man früher nach dem Solo nur ein unverständliches Gebrabbel von Vedder – jetzt kann man etwas wie „Man, you got a dollar?“, gefolgt von „just some spare change“ und „God bless you man“ vernehmen. Was ein bisschen Drehen an Reglern doch bewirkt;-)

Es bleibt jedoch bei diesen Kleinigkeiten, die sowieso erst beim bewussten Hören auffallen. Aber was will man an einem solchen Album noch groß verbessern? Was erwartet man? Für mich ist das ein Produkt für Fans, die bereit sind, für ein sehr hochwertig verarbeitetes Boxset etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Den Preis ist es für mich auf jeden Fall wert. Die Erinnerung an das erste Hören aufzufrischen und die Erfahrungen, die man damit verbindet, noch mal hochleben zu lassen: priceless!

Nach dem Remix-Album, das noch einige Raw-Mixes von Liedern enthält, die nicht auf dem ursprünglichen Album vertreten sind, habe ich mir die DVD des 1992er MTV-Unplugged-Konzerts angeschaut. Bisher unveröffentlicht und auch nur in meiner Erinnerung präsent, als MTV tatsächlich noch ein Musiksender war. Zwar nur 4:3, aber dafür mit sauber abgemischtem 5.1 Sound. Der Auftritt ist nicht nur musikalisch ein Highlight: Sakko und Baseballcap, absurde Hüte – wollte man die 90er Grunge-Jahre modisch einem heute 16-jährigen erklären, würde ich das als Anschauungsmaterial empfehlen, sollte der Film „Singles“ dazu nicht ausreichen;-)

Es beginnt mit dem ruhigen Oceans als Einstimmung, das mir auf Platte aber besser gefällt, gefolgt von „State of Love And Trust“, einem meiner Lieblingslieder von PJ, das auch unplugged genug Energie besitzt, um mich zu begeistern – noch dazu mit einem Eddie Vedder, der damit kämpft, seine außergewöhnliche Stimme kontrollieren zu können und mit einem immer entrückterem Blick, je länger das Konzert dauert. „Alive“, teils autobiographisch, teils Fiktion ist wohl das Lied, an das ich mich visuell wohl am besten erinnere – sowohl an das Video als auch an diese Version. Bei dem folgenden „Black“ haben Pearl Jam eine – wahrscheinlich sogar DIE – schönste Herz-Schmerz-Zeile vertont, und bei dieser Version ist das Gänsehaut pur – nur noch von der vom Publikum gesungenen Version bei der „Live at Benaroya Hall“ übertroffen:

I know someday you’ll have a beautiful life,
I know you’ll be a star
In somebody else’s sky, but why
why can’t it be mine

Was begnadete Künstler aus einer Randnotiz in einer Tageszeitung machen können, zeigt „Jeremy“ – nur ein Wort: fantastisch. Es folgen das bereits erwähnte „Even Flow“ und „Porch“, bei denen klar wird, das Vedder noch nicht weiß, was er mit seiner Unsicherheit, seiner Wut, gepaart mit vielleicht daraus resultierender Aggression, anfangen soll, wie er sie kanalisieren kann. Das Konzert dauert zwar leider nur 36 Minuten, das ist aber Zeit genug, um musikalisch Geschichte zu schreiben.

Zum Abschluss meines Pearl Jam Abends sehe ich mir nun noch „Water on the road“ an, ein Solo-Live-Konzert von Eddie Vedder, bei dem er hauptsächlich Lieder seines großartigen Albums „Into the wild“ spielt. Gut zum runterkommen und um Danke zu sagen – Danke, dass es euch gibt.

Morgen werde ich mir den Rest des Pakets anhören und anschauen,


2 Kommentare

homberle · 11.10.2011 um 13:05

Barock trifft es ganz gut:-)
Das Notizbuch ist sehr schön gemacht, es überwigen aber Grafiken und Fotos – leider sind die eigentlichen „Notizen“ recht spärlich vertreten. Du bist natürlich jederzeit eingeladen, es dir anzuschauen…

lynkeus · 11.10.2011 um 12:09

Hi,
man muss sich immer mal wieder klarmachen, dass Ten ein Debutalbum ist!!!
Für mich eines der besten Alben, die ich je gehört habe. Wenig kann da mithalten.
Hab mir gerade das Paket auf amazon angeschaut: barock ausgestattet 🙂
Das Notizbuch von Vedder würde mich schon interessieren…
Vielleichts lässt du mich mal einen Blich rein werfen.
lyn

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