Shakespeare- Was ihr wollt (Badisches Staatstheater Karlsruhe, 29.4.2008)

Ein Mädchen aus gutem Hause, Viola, überlebt mit knapper Not einen Schiffbruch und strandet an der Küste Illyriens. Sie hält ihren Bruder, der mit ihr auf dem Schiff fuhr für tot und tritt als Mann verkleidet in die Dienste des Herzogs Orsino, der seinerseits unsterblich und leider unglücklich in Olivia verliebt ist. Diese weist alle männlichen Annäherungsversuche ab, seit ihr vor Kurzem der geliebte Bruder starb. Viloa, jetzt Cesario wird im Auftrag von Orsino bei Olivia vorstellig, um sie von Orsinos Liebe zu überzeugen.
Scheint soweit alles klar, doch jetzt beginnen die Verwicklungen. Olivia verliebt sich in Cesario (Viola), Viola aber verliebt sich in ihren Herrn Orsino. Als sei das noch nicht kompliziert genug mischen auch noch Olivias Onkel, Sir Toby und dessen Kumpan Sir Andrew mit, die außer Saufen und F…. wenig im Sinn haben. Auf der unstillbaren Suche nach einem Mittel gegen die fürstliche Langeweile der eigenen Existenz fällt ihnen nichts besseres ein als zusammen mit Olivias Zofe Maria (mittelmäßig gespielt von der dafür umso bezaubernderen Anna-Magdalena Beetz) dem Hofmeister der Olivia, Malvolio, der sich durch Pedanterie und Unterwürfigkeit auszeichnet, einen Streich zu spielen. Maria fälscht einen Brief an Malvolio, in dem sie diesem ihre angebliche Liebe gesteht und ihn auffordert, in gelben Strümpfen vor ihr zu erscheinen.
Nun sieht man den Spießer sich wandeln. Aus dem kuschenden Diener wird der despotische Herr und verrückte Geliebte, der sich die Rache für all den erlittenen Unbill von Seiten Sir Tobys schon in allen Einzelheiten ausmalt.
Aber sein lächerlicher Auftritt endet für ihn im Kerker. Der offenbar Geisteskranke wird weggesperrt.
Alles geht auf auf großartige Weise durcheinander, man liebt, was man sieht, ohne das Wesen des Gegenüber zu kennen.
Als Violas Bruder auftaucht, der den Schiffbruch ebenfalls überlebt hat, kommt es schließlich zum Showdown. Die Verwicklungen lösen sich zur Vorteil aller auf. Viola bekommt Orsino, der von seiner unglücklichen Liebe zu Olivia genesen ist, Olivia bekommt den Bruder Violas/Cesarios, Sir Toby und Sir Andrew werden von Violas Bruder Sebastian übel verdroschen, somit wäre auch der schlimme Streich an Malvolio gesühnt.
Eine Doppelhochzeit besiegelt das Glück.
Die Aufführung besticht durch eine mutige moderne Inszenierung, die aber nicht mehr wirklich beidruckend findet, wer hin und wieder im Staatstheater ein Stück ansieht. Die Bühne wird dominiert von einem Kunstrasen in einem schreienden Grün, das sich sogar die Wände hinaufzieht, von denen herab Viola zu Beginn sich abseilen die ersten Verse des Textes spricht. Alle Schauspieler befinden sich permanent auf der Bühne, die mit zahlreichem Gartengerät und einem angedeuteten Zaun ausgestattet, den Eindruck gartenmäßiger Künstlichkeit erweckt. Irritierend aber wohl in dieselbe Richtung zielend darf man wohl den Hintergrund verstehen, auf der der Mond bzw. diverse Planeten abgebildet sind.
Alles atmet die Amosphäre des Künstlichen. Illyrien ist nicht das ferne, unbekannte Land, sondern ein ganz und gar künstlicher Ort, an dem die Illusion vorherrscht und keineswegs eine naturnahe Ausgeglichenheit des Gemüts anzutreffen ist.
Nichts ist, was es zu sein scheint ist, und doch hängen alle so am sehr an diesem Schein, das man sich wundert, dass die Sache überhaupt ein Lösung finden kann. Diese Lösung ist daher auch letztlich zufällig. Kein Geschick, kein Gott und schon gar nicht der Narr, der mit seinen Liedern auf allen Seiten präsent ist, bringt dir Lösung. Verwicklung und Lösung sind letztlich dem blinden Zufall des menschlichen Handels und der Hegemonie des Zufalls zu danken. Ja nicht einmal die allgegenwärtige Liebe hat die Macht, die Verhältnisse zu ordnen. Vielmehr sind die Sehnsüchte der Figuren so sehr an die Äußerlichkeiten des Gegenüber wie an das eigene Empfinden geknüpft, dass man erleichtert ist, dass die ganze Verwicklung nicht in einer Katastrophe endet. Das Stück spielt auf der schmalen Grenze zwischen unverbindlicher Unterhaltung und tragischer Erschütterung. Wie schmal der Grad zwischen Komödie und Tragödie ist, zeigt das Schicksal Malvolios, dem von Toby und Andrew wirklich übel mitgespielt wird. Selbst als jener im Kerker liegt, setzen sie ihren boshaften Scherz fort und quälen ihn weiter. Zwar wird er am Ende aus seinem finsteren Loch entlassen und der üble Scherz kommt ans Licht, aber das war es auch schon. Hier zeigt sich nicht nur der tragische Zug des Stücks, sondern auch, wenn man so weit gehen will, ein Ansatz zur Kritik am abgehobenen, irrelevanten, rücksichtslosen Gebaren einer feudalen Minderheit, die sich nicht um die Konsequenzen seiner Handlungen schert.
Der Text scheint mir gekürzt, aber auf jeden Fall mal mehr mal weniger schonend modernisiert. Hin und wieder werden zeitgenössische Pointen eingeflochten (Mindestlohn für Briefträger).
Besonders Lob gebührt der Darstellerin der Viola (Cesario) (Annika Martens). Nur durch ihren Sprachduktus allein gelingt es ihr, die feine Unterscheidung zwischen den eigenen Gefühlen der Viola und ihrer Rolle als Cesario zu unterstreichen.
Von den zahlreichen eingeflochtenen Gags, die in bester Slapstickmanier, aber dennoch nicht überdreht, eingestreut werden sowie von den kleineren Highlights (Joints aus Kunstrasen etc.) schweige ich an dieser Stelle schmunzelnd.
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