Umberto Eco – Der Friedhof in Prag

Zu Ecos neuem Roman ist viel geschrieben. Deshalb beschränke ich mich auf ein paar Anmerkungen zu dem Roman. Es macht immer Spaß, einen Eco zu lesen, wenn man historisch interessiert ist. Zwar fehlt dem Roman die unheimliche Anziehungskraft, die das fremde Mittelalter im „Namen der Rose“ ausstrahlte, dennoch sind die historischen Ereignisse um die nationale Einigung Italiens oder die innenpolitischen Wirrungen Frankreichs in der zweiten Hälfte des 19 Jahrhunderts spannend, zumindest für den Historiker. Der Vorteil dabei ist die Authentiztät der Ereignisse, die der Leser historischer Romane meistens entbehrt, da sie, wenn überhaupt, nur die Kulisse bilden für ein neumodisches Rührstück wie zum Beispiel Folletts „Säulen der Erde“.

Arno Schmidt – Zettels Traum

Jahrelang habe ich mit mir gerungen. Hier ist es nun endlich. Riesig, unhandlich, unfassbar im wörtlichen Sinne, was die äußeren und die inhaltlichen Ausmaße angeht. Ob ich es je ganz lesen werde? Ich werde es versuchen. Hier nur ein paar Fotos. Ich habe einen Band der Münchner Goetheausgabe daneben gelegt, um die Ausmaße des Bandes deutlich werden zu lassen. Ich hab‘ schon bessere Bilder gemacht, ich geb’s zu. Aber das musste jetzt einfach noch raus

„Die Wahrheit über Arnold Hau“.

Wir haben es drei mutigen Männern zu verdanken, dass sie das vielfältige Schaffen von Arnold Hau einem breiten Publikum zugänglich machten. Hau gehört zu den großen Unbekannten, zu den Nicht-vergessenen, denn niemand der Kulturschaffenden nahm ihn wahr. Hau wirkte im Verborgenen und es ist durchaus ungewiss, ob er mit dieser Herausgabe seiner Werke einverstanden gewesen wäre. Aber hat nicht auch Max Brod den Wunsch seines Freundes Kafka, seine Werke zu vernichten, nicht erfüllt, zum höheren Wohle der menschlichen Kultur und zum Leidwesen vieler Gymnasiasten? Manchmal fehlt einem Künstler eben die Distanz zum eigenen Werk.

Erik Reger – Union der festen Hand

Unter dem Pseudonym Erik Reger veröffentlichte Hermann Dannenberger 1931 den Roman „Union der festen Hand“. Ausgehend von seiner langjähriger Arbeit in der Presseabteilung der Friedrich Krupp AG  legt er auf 500 Seiten die Anatomie des Kapitalismus  zur Zeit der Weimarer Republik frei. Er zeigt in die Realität kaum verhüllender Form die Machenschaften der Krupps und ihrer Geschäftspartner, die Verstrickungen der Firmen in die Politik, die Manipulation der Presse und den berechnenden Umgang mit der eigenen Belegschaft in epischer Breite und in überwiegend journalistischem Ton. Den Kapitalisten, die von einer Clique immer wieder auftauchender Figuren repräsentiert werden, stehen die Arbeitnehmer gegenüber, die sich ihrerseits in Angestellte, Arbeiter und deren Angehörige einteilen lassen. Den Kapitalisten gehört die Sympathie des Autors nicht. Sie werden durchweg  als arrogant, hochmütig, berechnend, zynisch, egoistisch und profitgierig dargestellt. Und ihre Handlungen bestätigen dieses Bild vollends. Der Unternehmer strebt nach Profit, dieser ermöglicht Macht, diese ermöglicht Einfluss, dieser wird zum Zwecke der Profitsteigerung eingesetzt, womit sich der Kreis schließt. Dieser Mechanismus ist wohl auch dem einfältigsten Occupy-„Aktivisten“ klar und gehört zu den Urweisheiten des angewandten Kapitalismus. Das macht ihn aber deshalb noch nicht banal, im Gegenteil. Dieses Axiom des Kapitalismus gilt für jeden Bereich, der Geschäfte macht und durch die reine Größe und den Einfluss der Unternehmung eine Gesellschaft beeinflusst, ganz egal, ob es sich um riesige Montan- oder Schwerindustriekonzerne handelt, wie im vorliegenden Beispiel, oder um Banken wie im Moment.

Vom Stolpern! Fazit des persönlichen Twitterexperiments

Technisch gesehen kann das Experiment als halbwegs erfolgreich bezeichnet werden, obwohl ein paar Fotos den Weg durchs Netz scheinbar nicht gefunden haben. Sie treiben jetzt wohl als Datenschrott zerstückelt in kleine Packet rund um den Globus. Sei’s drum, schade ist es dennoch ein wenig. Ansonsten kann ich sagen, dass wenn ich alles getwittert hätte, was mir so durch den Kopf ging, ich wohl nur mit gesenktem Kopf durch die riesigen Messehallen gestolpert sein würde. So hätte ich natürlich viel weniger Eindrücke aufnehmen können und entsprechend weniger twittern können. Ein circulus vitiosus der modernen Kommunikation. Als mir auffiel, dass ich ohne den Kopf zu heben durch die Hallen lief, anderen Leuten im Weg stand oder meine Begleiter aufhielt, und ich zudem den Eindruck hatte, halbe Hallen nicht wirklich gesehen zu haben, habe ich weniger getwittert. Vielleicht funktioniert es besser, wenn man in einer Kaffeepause schreibt… Aber so oft kann nun auch nicht Pause machen, obwohl es reichlich Gelegenheit dazu gegeben hätte,denn an jeder Ecke befand sich ein Café. Aber im Sitzen bekommt man halt nicht so viel mit, worüber man twittern könnte. Noch ein Problem also! da müsste man mal über eine Lösung nachdenken. Aber wenn man sich meine und die zahlreichen anderen Tweets zur Buchmesse anschaut, erkennt man schnell, dass die anderen auch nicht viel wichtiges zu sagen haben, oder einfach nur nachplappern, was sie von wieder anderen aufgesschnappt haben. Offenbar zählt der Gehalt der Nachricht weniger als ihre bloße Existenz. Das scheint vielleicht sowohl das Grundübel als auch der große Vorteil von Twitter und des gesamten web 2.0 zu sein.

Nietzsches Jungendschriften

Zwischen dem 18. August und dem 1. September 1858 schreibt der 14-jährige Friedrich Wilhelm Nietzsche einen Text, der den Titel „Aus meinem Leben – I. Die Jugendjahre“ trägt. Nein, nein keine Angst, das soll nicht der Aufhänger sein, um Autobiographien „jugendlicher“  „Berühmtheiten“ zu besprechen oder mit dem Vorbild aus dem 19. Jahrhundert zu vergleichen, auch wenn es sicherlich interessant wäre, Nietzsches Jugendschriften mit der eben erschienenen Autobiographie von Daniela Katzenberger zu vergleichen. Dazu müsste man dieses Werk aber gelesen haben, und ehrlich gesagt ist mir meine Zeit und mein Geld dafür zu schade. Sollte mir der Verlag oder sonstwer das Buch zur Verfügung stellen, werde ich dies natürlich sehr gerne tun ;-).

Martin Walser “Muttersohn“ 4. Fazit

Mein abschließendes Fazit zu diesem Roman kommt ein wenig spät, ich weiß. Aber ich wollte erst einmal ein Abstand zwischen mich und das Buch bringen, um nicht in ein vorschnelles Urteil zu verfallen.
Also: ich halte den Roman im Ganzen für gescheitert. Die formale Anlage ist wirr, der Inhalt über weite Strecken einfach belanglos. Walser ist und bleibt ein Provinzialist, dessen Kosmos nicht über Main und Bodensee hinausgeht. Und genau so sind seine Figuren. Wenn hier offensichtlich versucht wird, über Dinge wie das Göttliche, den Glauben und die Liebe zu sprechen und eine den heutigen Umständen entsprechende Form dafür zu entwickeln, wieso wird dann doch wieder Swedenborg u.a. zitiert?
Ich denke, hier versucht jemand krampfhaft modern sein zu wollen, was aber wie so oft peinlich wirkt. Walser ist Schriftsteller aus einer anderen Zeit. Das sollte er akzeptieren und nicht versuchen etwas zu sein, was man nicht ist. Ein Kommentar zu einem Eintrag zu diesem Roman schrieb, hier lese man nicht, man erlebe mit. Leider stimmt das nur, wenn den Autor in den Blick nimmt. Man erlebt den Beweis des Unzeitgemäßen des Altmodischen im Versuch zeitgemäß sein zu wollen.

Bulgakows Meister und Margarita in der Durlacher Orgelfabrik II

Durchaus konsequent reiht sich der Bulgakows „Meister und Margarita“ in der Aufführungsgeschichte der Durlacher Orgelfabrik ein; nach Kafkas Werken (Das Schloss, Der Proceß, Verwandlung) und Thomas Manns „Tod in Venedig“, um nur einige Stücke der letzten Jahre zu nennen, hat sich das Autorenteam Franco Rosa und Gabriele Michel wieder an eine Adaption eines großen düsteren Romanes gewagt. „Meister und Margarita“, 1940 geschrieben, danach jahrlang in der Sowjetunion auf dem Index und erst 1966 veröffentlicht, ist eine Satire auf die starr-bürokratische, dogmatisch-atheistische Sowjetunion und die geknechtete Kunst- und Kulturszene Moskaus. Die Orgelfabrik mit ihrem rauen, früh-industriellen Charme bietet für diesen Roman ein hervorragendes Setting. Die Architektur der Orgelfabrik  mit seinen vielen unterschiedlichenen Ebenen war entsprechend hervorragend genutzt und das Bühnenbild bis zum kleinsten Detail stimmig. Ein wahrer Augenschmaus! Die Umsetzung der Romanhandlung in ein Bühnenstück jedoch war erwartungsgemäß holprig. Da der Roman an sich schon expressionistisch dissoziiert anmutet und sehr stark von der Aneinanderreihung von surrealen Sequenzen und einem komplexen Geflecht von Handlungssträngen lebt, ist auch das Tempo des Stücks rasant, die Anzahl der Szenenwechsel beträchtlich und die Handlung durch die Überfülle der Eindrücke und Szenen ohne Lektüre des Buches nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Vielleicht wäre hier eine noch stärkere, radikalere Reduktion der Romanhandlung vonnöten gewesen, da das Stück bisweilen etwas überfrachtet erschien. – Videosequenzen sind an vielen Bühnen der letzte Schrei. Ihr Einsatz muss jedoch  motiviert sein. Weswegen die Truppe die Vorgeschichte der Beziehung des Meisters zu seiner Margarita gerade mit dieses Medium darstellt, erschließt sich dem Zuschauer nicht. Was auf der Bühne spielbar ist, muss gespielt werden! Eine Effekthascherei mit dem willkürlichen Einsatz von Medien hat die Orgelfabrik nicht nötig. – Die Stärke des Orgelfabriktheaters ist das hervorragende Ensemble, das mit ihrer Schauspielkunst, ihren Dialogen und Monologen brillierte. Mehr davon! Weniger „action“ hingegen wäre bisweilen ratsam gewesen! Die Umsetzung der surrealen und bedrohlichen Sequenzen im Buches, z.B. die Zaubervorstellung des Herr Volands und seiner Hexen, wirken hingegen überzogen und klaumaukhaft. Das Bedrohliche und Beklemmende, das im Buch im Hexentreiben spürbar wird, verschwindet im Stück an einigen Stellen gänzlich. – Im Ganzen muss man sagen, dass das ehrgeizige Unterfangen „Meister und Margarita“ für die Bühne leider nur mäßig geglückt ist. Bei einer Umarbeitung eines solchen Romanes wie „Meister und Margarita“ möge sich das Autorenteam auf die Stärken der Truppe besinnen, noch mehr riskieren beim Umschreiben der Vorlagen und bei schwer umsetzbaren phantastischen Szenen darauf achten, dass man nicht zu publikumsgefällig wird und dem Klamauk erliegt. Nichtsdestotrotz, ein Theaterbesuch in der Orgelfabrik  ist alleine Dank der starken schauspielerischen Leistung des Ensemles und den Räumlichkeiten der Orgelfabrik stark anzuraten.

Johann Peter Hebel und der „Luftkrieg“

In einem Abschnitt des „Rheinischen Hausfreundes auf das Schalthar 1808“ über Fliegende Fische heißt es: „Denn gewisse Vögel fliegen über dem Wasser her und hin, und stellen den Fischen nach, können ihnen aber nichts anhaben so lang diese daheim im Wasser bleiben, wohin sie gehören. Wenn aber ein solcher Luftkrieg zwischen ihnen angeht, so wird bald der Fliehende, bald der Feind, bald beide von dem Vogel, der das Fliegen besser versteht, erhascht, und kommen ihr Lebenlang nimmer ins  Wasser.“

Martin Walser – Muttersohn 3

Der Abschnitt, in dem Percy aufgrund seiner mittlerweile bekannten Überzeugung, ohne Beitrag eines männlichen Erzeugers auf die Welt gekommen zu sein, ist gut gelungen, auch wenn das Bemühen, die Gepflogenheiten der „anspruchsvollen“ Gesprächsrunden im TV ein wenig auf den Arm zu nehmen in meinen Augen deutlich zu erkennen ist. Sprachlich besser gelungen, da hier die Dialogstruktur die einzig adäquate ist. Es folgt der zweite Teil, das Leben des Ewald Kainz. Es erzählt die Lebensgeschichte des Ewald Kainz, Insasse der Psychatrie, in der Percy ihn mit seiner Schweigetherapie behandelt, Adressat zahlreicher Briefe an Percys Mutter, die diese aber niemals abschickte.

Martin Walser – Muttersohn 2

Nach knapp 150 Seiten (Nipperdey lenkt mich ab) lässt sich feststellen, dass die ganze Sache doch recht belanglos ist. Die Gespräche zwischen Feinlein und Percy wirken oberflächlich, nicht gerade uninteressant, aber insgesamt ja, eben belanglos. Ebenso die Lebengeschichte von Percys Mutter, die er dem Angebeteten seiner Mutter, Kainz, in dessen Zimmer in der Psychatrischen Anstalt erzählt. Die Stilisierung Percys zu einer Jesusfigur wird zwischen diesen ganzen Dialogen immer wieder deutlich, aber wozu?? Was die Sprache angeht, so bestätige ich ausdrücklich meinen ersten Eindruck der Einfachheit ohne ästhetische Dimension.

Mord und Totschlag

Ich muss ein paar jungen Leuten Bücher schenken. Da ich keine Ahnung habe, was Mädchen mit 14 lesen, habe ich sie gebeten, mir ihre Wünsche mitzuteilen. Die Titel sprechen für sich: „Die Rebellin. Die Gilde der schwarzen Magier 1“, „Tales of Partholon 1: Ausersehen“, „Schattenkuss“, „Bevor ich sterbe“, „Hassblüte“ und „Puppenrache“. Mehrteilige Fantasyromane oder Psychothriller. Alles recht dunkel, sicherlich mit einer guten Portion Gewalt verziert. Sollten Mädchen in diesem Alter nicht irgendwelche Beziehungsromane lesen? Ich war ziemlich erstaunt, muss ich sagen. Ein paar dieser Romane werde ich mir mal ausleihen… Der Sache muss man nachgehen…

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