Esbjörn Svensson Trio – Seven days of falling

Am vergangenen Wochenende starb bei einem Tauchunfall im Alter von nur 44 Jahren Esbjörn Svensson, der kreative Kopf des ein schwedischen Jazztrios, das aus gutem Grund seinen Namen trug. Ungemein produktiv schuf er eine bis dahin noch nicht gehört Art von Jazz, die rockige Einflüsse sowie Elemente des Ambient zu einem einzigartigen Sound vereint, der seinesgleichen sucht. Nicht umsonst galt das Trio mit Svensson an der Spitze als erfolgreichste und was in meinen Augen viel wichtiger ist, als einflussreichste Band des modernen Jazz.
Als Beispiel mag hier das 2003 erschienene Album „Seven days of falling“ dienen. Eingängig in den Melodien und ungemein kreativ gehört das Album sicher zu dem besten, was ich von E.S.T bislang kenne. Es klingt ungemein modern, ohne die Wurzeln des „traditionellen“ Jazz der letzten 60 Jahre zu verleugnen.Ein weitaus geschulteres Ohr könnte sicher vielfältige Beziehungen und Einflüsse nachweisen. Dennoch verkommt das Album nicht zu einem platten postmodernen Synkretismus, wie er leider häufig anzutreffen ist. Ohne übermäßig laut oder verrückt zu sein, ist es dennoch auch gerade in den ruhigen Passagen ein sehr energiegeladenes Album, das man sich einmal live erlebt zu haben wünscht. Letztes Jahr hätte man diese Chance gehabt, quasi vor der Haustüre, tja…
Wer denkt, dass Jazz nicht mehr produktiv ist, sich im Epigonalen verloren hat und vergangener Tage und Helden nachtrauere sieht sich hier eines besseren belehrt.
In der Kunst besteht immer die Chance sie neu zu entdecken, dem scheinbar Alten neues Leben, ein anderes Leben einzuhauchen, in dem immer auch die Wurzeln des Alten neuen Boden finden und neu austreiben. Nur selten, vielleicht niemals war die Kunst voraussetzungslos und einfach nur neu. Immer ist das Neue, so fremd und verstörend es auch zuerst erscheinen mag, verknüpft mit dem Alten. Darauf aufmerksam gemacht zu haben ist Svensson zweitgrößtes Verdienst. Das größte ist seine Musik.

Schmoov – While you wait

Manch einer würde diese Art von Musik „Fahrstuhlmusik“ nennen. Wenn ich einen Aufzug finden sollte, in diese Platte läuft, dann müsste mich der Sicherheitsdienst am Abend mit Gewalt aus dem Lift zerren. Keine schwermütig melancholischen Klangteppiche wabern auf einen zu, sondern eine gefällige Verbindung aus Funk und House. Keine experimentellen Sound wird man hören, sondern gut auf einander abgestimmte Melodien, dezente Soundeffekte und einen stets präsenten funkigen Bass. Doch der Funk bestimmt die Platte nicht. Manchmal scheint die Musik in einen gezuckerten Bossa Nova abzudriften, wie in „Aqua Marina“, bis ein klares Saxophon dem Jazz zu seinem Recht verhilft. „The girl from Ipanema“ bleibt allein am Strand. Eher eine Homage an Stan Getz also als an Rio de Janeiro.
Dass mindestens einer der drei Engländer früher mal in einer Funkband gespielt hat, ist dennoch deutlich zu hören, wenn auch der Jazz in der zweiten Häfte der Platte mehr Raum einnimmt.
Ohne je aufdringlich zu wirken, schiebt sich diese Musik zwischen uns und die Welt. Wie eine Scheibe bunten Glases, die das ewig graue Licht wie den immergrauen Lärm um dich herum filtert und nur das durchlässt, was du nicht bestimmen kannst aber dennoch willst. Die Welt um dich herum wird sicher nicht bunter durch diese Musik, aber der graue Dreck des Tags eben auch nicht grauer.
Vielleicht wirst du die Augen zumachen wollen, wenn du am Bahnhof stehst, auf den verspäteten Zug (kam je einer pünktlich?) wartend diese Platte hörst. Vielleicht möchtest du dich auf der Musik hinwegträumen, an schönere Orte als diesen Bahnhof, zu netteren Menschen als diesen grauen griesgrämigen Passanten. Tu das nicht! Schau dir die Umgebung an. Leg die Musik über den Lärm des Bahnsteigs und mach die Wartenden zu Sklaven deiner Musik. Schau, wie sie sich gegen Rhythmus und Melodie wehren… Nichts harmoniert mit der Musik in deinem Ohr. Alles außerhalb dieser Harmonie wird lächerlich, schließlich irrelevant. Du trittst einen Schritt zurück von der Welt und erkennst, dass Darinsein kein erstrebenswertes Ziel mehr sein kann. Dein bunter Regenmantel macht dich immun gegen das bleierne Grau um dich herum.
Das Warten auf irgendwas oder irgendwen wäre mir viele Male leichter gefallen, wenn ich dabei diese Platte hätte hören können.
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