Amon Tobin: Foley room

Nachdem Jackson Pollock eines seiner großformatigen Drip-paintings beendet hatte, fragte er seine Frau, Lee Krasner:“ Ist das ein Gemälde?“
Dieselbe Frage würden wohl einige Leute stellen, die das neue Album von Amon Tobin anhören: „Ist das Musik?“
Und genauso wie Lee Krasner die Frage ihres Mannes positiv beantwortet hat, kann man auch im Falle von Foley room sagen: „Ja das ist Musik, und zwar großartige.“ Das Problem ist nur, Amon Tobins Musik zu beschreiben. Klar, irgendwo könnte man diese Art von Musik Drum `n` Bass nennen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Drum `n` Bass ist nur die Basis dieser Musik. Ihr Wesen ist eine verspielte Kreativität, die sich, im Vergleich mit seinen anderen Alben, in diesem Album am radikalsten Bahn bricht. Unvorsichtige Hörer würden diese Musik als dadaistisch bezeichnen. Allerdings ginge eine solche Bezeichnung in die Irre. Dadaismus ist, wenn er ernst gemeint ist, Anti-Kunst. Anti-Musik aber hört sich anders an. Amon Tobin geht regelmäßig an die Grenzen der Musik, löst Rhythmus, Melodie und Harmonie manchmal auf. Aber tut das der Jazz nicht auch? Und lebt der Jazz nicht auch von der Freude am Experiment, von der Lust Neues auszuprobieren und mit Altem zu verbinden?
Egal wie kluge Leute diese Musik bezeichnen, ich nenne sie Jazz. Sicher, Amon Tobin spielt kein Intrument, er bedient nur seinen Computer, seine Turntables, seinen Synthesizer. Aber nicht das sind seine Instrumente. Das sind nur Werkzeuge, um Klänge zu verändern. Er schöpft seine Klänge nicht aus dem begrenzten Klangspektrum eines herkömmlichen Instruments, vielmehr bedient er sich der Totalität sämtlicher Klangereignisse auf der Welt, sofern diese für das menschliche Ohr hörbar sind.
Hin und wieder unterschreitet er sogar diese Grenze. Auf manch einem Stück der neuen Platte kann man den Bass nicht mehr hören, man kann ihn nur noch fühlen, und selbst das nur, wenn man eine Anlage hat, die diese tiefen Frequenzen wiedergeben kann.
Und aus diesem reichhaltigen, unerschöpflichen Meer von Klängen erschafft er eigensinnige, atmosphärisch dichte Musikstücke, genauso wie Pollock auf bekanntem Material Bilder erschuf, die chaotisch wirken, und dennoch komponiert sind.
Pollock wurde von einem Kritiker vorgeworfen, er male zu wenig nach der Natur. Darauf antwortete er erbost: „Ich bin Natur!“
Das gilt auch für dieses Album.
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