Ende August werden wir wieder London besuchen, auch dieses Mal wieder das Globe Theater.

Waren vor zwei Jahren alle Shakespeare Stücke ausverkauft, so konnten wir in diesem Jahr Karten für Richard III. Ergattern. Ein großartiges Stück, dem ich den Vorrang vor dem „wahnsinnigen“ Hamlet gegeben habe, für den auch noch Karten zu haben waren. Vor allem weil dieses Stück nicht den „normalen“ Regeln der Gattung folgt, sondern von Anfang an offen ausspricht, was geschehen wird. Gleich zu Beginn des Stückes hören wir von Richards (zu diesem Zeitpunkt noch Herzog von Gloster) Plan. Diesen habe ich ja gestern schon zitiert ( in der Übersetzung von Schlegel): http://rauschi.tv/blog/?p=941

Er, der für ein Leben am Hof nicht gemacht ist, hat im gerade beendeten Bürgerkrieg seine Bestimmung gefunden. Politik, Intrige, Heimtücke und Mord sind seine Sache. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass sich das Haus York im blutigen Ringen um die Krone durchsetzen konnte. Sein Bruder Edward ist König, sein anderer Bruder Clarence ist der erste Mann im Staat. Jetzt könnte der Frieden kommen, aber das ist Richards Sache nicht, wie er im ersten Teil seines Monologs erzählt. Schon seine Physis ist einem königlichen Hof nicht angemessen. Richard ist körperlich behindert, deformiert. Die Art und Weise wie er sein eigenes Äußeres beschreibt, weist auch auf psychische Deformiertheit hin. Wie viel Ekel und Abscheu liegt nicht den Worten über seine eigene Erscheinung. Er fühlt sich marginalisiert in einer Welt der Schönheit und der Galanterie. Und weil er nicht dazu gehört, strebt er nach dem, was allein ihm Anerkennung schaffen könnte: Macht. Der Fatalismus, der in diesem Gedanken steckt, ist deutlich. Wenn er die Macht nicht erlangen kann, dann hätte er auf seinem Weg dahin immerhin diese so schön scheinende Welt des Hofes zerstört. Denn alle, die ihm im Weg stehen, müssen weichen. Die Mittel dazu sind nicht egal. Sie sollen böse sein, hinterhältig, blutig. Ein tiefsitzender Hass ist das, nicht bloß Neid.

Wer steht ihm im Weg? Zuerst sein Bruder, der König. Dann der andere, ältere Bruder. Mit ihnen die Frauen, Margaret, Elisabeth sowie die Prinzen und Nachfolger, eben alle, die ihm den Thron streitig machen könnten. Jene will er gegen einander hetzen, diese ein für alle Mal aus dem Weg räumen. Ohne jetzt den ganzen verwickelten Plot zu referieren, nur dies: es funktioniert. Richard wird König, aber am Ende wird er wahnsinnig, glaubt seinen Gegner Richmond sechsfach und wird von diesem schließlich überwunden.

Wo aber soll denn jetzt das Tragische liegen? Wohl niemand wird ernsthaft mit Richard Mitleid haben, wie es die traditionelle Dramatheorie verlangt. Richard bekommt, was er verdient. Und reinigt diese Tragödie von Furcht, der anderen Seite der theoretischen Medallie? Wohl kaum. Der Reiz der Tragödie liegt doch darin, dass man einen Menschen vor sich sieht, der einen gemischten Charakter hat, der schlechte Seiten haben mag, aber eben auch eine gute hat und sei diese noch so unscheinbar. Wenn solch ein Mensch scheitert, weil „das Eigentümliche [seines] Ichs mit dem notwendigen Gang des Ganzen zusammen stößt“, d.h. modern gesprochen sein persönlicher Lebensentwurf am Schicksal zerschellt, dann mag man mitleiden und Sympathie haben mit einer solchen Figur.

Richard gehört nicht zu dieser Art Figuren.

Er ist zerfressen von einem Hass, der zwar gegen seine Umwelt gerichtet ist, aber im Grunde nur Selbsthass ist. Denn wen lässt er umbringen? Doch hauptsächlich seine Familie (auch wenn Familienbande im Hochadel nicht unbedingt sehr eng sein müssen), seine ehemaligen Weggefährten. Je unnachgiebiger er sein Ziel mit wachsendem Hass verfolgt, desto weniger werden die, die aus irgendwelchen Gründen zu ihm gehalten haben. Und in der Nacht vor der entscheidenden Schlacht gegen Richmond bedrängen ihn im Schlaf die Geister seiner Opfer. Ein Rest von Gewissen meldet sich, aber auch die Erkenntnis, dass er keine Gnade will. Sein letztes Bekenntnis gipfelt einem Satz, der den wahren Grund für seine gestörte Persönlichkeit und seine grausamen Taten angibt: kein Geschöpf liebt mich. Dieser letzte Monolog ist es ebenfalls wert, zitiert zu werden:

„Ein andres Pferd! verbindet meine Wunden!

Erbarmen, Jesus! – Still, ich träumte nur.

O feig Gewissen, wie du mich bedrängst! –

Das Licht brennt blau. Ist’s nicht um Mitternacht?

Mein schauerndes Gebein deckt kalter Schweiß.

Was fürcht ich denn? mich selbst? Sonst ist hier niemand.

Richard liebt Richard: das heißt, Ich bin Ich.

Ist hier ein Mörder? Nein. – Ja, ich bin hier.

So flieh. – Wie? vor dir selbst? Mit gutem Grund:

Ich möchte rächen. Wie? mich an mir selbst?

Ich liebe ja mich selbst. Wofür? für Gutes,

Das je ich selbst hätt‘ an mir selbst getan?

O leider, nein! Vielmehr haß ich mich selbst,

Verhaßter Taten halb, durch mich verübt.

Ich bin ein Schurke – doch ich lüg, ich bin’s nicht.

Tor, rede gut von dir! Tor, schmeichle nicht!

Hat mein Gewissen doch viel tausend Zungen,

Und jede Zunge bringt verschiednes Zeugnis,

Und jedes Zeugnis straft mich einen Schurken.

Meineid, Meineid, im allerhöchsten Grad,

Mord, grauser Mord, im fürchterlichsten Grad,

Jedwede Sünd‘, in jedem Grad geübt,

Stürmt an die Schranken, rufend: Schuldig! schuldig!

Ich muß verzweifeln. – Kein Geschöpfe liebt mich,

Und sterb ich, wird sich keine Seel‘ erbarmen.

Ja, warum sollten’s andre? Find ich selbst

In mir doch kein Erbarmen mit mir selbst.

Mir schien’s, die Seelen all, die ich ermordet,

Kämen ins Zelt, und ihrer jede drohte

Mit Rache morgen auf das Haupt des Richard.“

Das Streben nach Äußerlichkeiten ist mehr als nur der Wunsch nach Luxus, Geld, Macht. Es ist ein Suchen nach etwas, das man in sich selbst suchen sollte, aber vom ungebändigten Egoismus oder der ungezügelten Egomanie verschüttet ist, oder wie in Richards Fall, gar nicht vorhanden ist.

Die viel weniger grausamen, weil weniger blutigen Ableger mag man heute in denen finden, die nach immer mehr verlangen, wo sie doch schon mehr als genug besitzen, die ohne Rücksicht ihrem Egoismus oder dem ihrer scheinbaren sozialen Schicht folgen, um etwas zu kompensieren, dessen Verlust sie selbst nicht (oder nicht mehr) wahrnehmen können. Vielleicht liegt hier das Tragische Moment des Stückes. Gerade dadurch dass Shakespeare den Leser bzw. Zuschauer zum Komplizen Richards macht, indem der Leser zum stummen Zeugen von dessen Plänen wird, liegt das Befremdliche für uns. Es erinnert uns daran, dass wir alle viel zu sehr nach Dingen streben oder an ihnen hängen, die nichts bedeuten verglichen mit dem, was wir dafür opfern.


2 Kommentare

Dr. Timo Beil · 11.05.2012 um 10:40

Ich entschuldige mich für die Unzulänglichkeiten in Interpunktion und Orthograpgie, die selbst vor meinem Namen nicht Halt gemacht hat. Sie können daran erkennen die Erregung erkennen, die mich überkommt, wenn ich das Geschreibsel auf ihrem Blog lese.

Dr. Timo Beil

Dr. Timo Beil · 11.05.2012 um 10:33

Geehrter Lynkeus,
ich staune doch immer wieder über die jeder Grundlage entbehrenden Urteile, die sie über die bedeutendsten Werke der Weltliteratur ausgießen, wie der Bauer die Jauche. Wie kann man einem Stück wie Richard III. eine so billige Moral unterschieben, wie sie es tun. Außerdem ist der Richard Shakespeares ein Zerrbild der politischen Propaganda der Tudors, der Shakespeare willentlich oder unbewusst gefolgt sein mag. Dieses Stück zeigt nicht den historischen Richard III, das ist eindeutig belegt (ich erspare mir an dieser Stelle bibliographische Hinweise, reiche Sie Ihnen aber auf Verlagnen gerne nach). Aus diesem Grund allein ist dieses Stück zu verwerfen. Und wenn man annimmt, dass dieses Stück ein frühes Stück des großen Dichters ist, dann kann man mit etwas Milde auf die offensichtlichen Fehler im Bau des Stückes blicken.
Die Meisterschaft des Dichters ist hier nicht zu erkennen, die Autorschaft ist sogar von einigen Fachleuten durch stilistische Analysen in Zweifel gezogen worden. Sie loben ein Stück, das es nicht verdient.
Hier zeigt sich ein Muster ihres Blogs. Sie zerren Dinge ans Licht, die nicht umsonst im Schatten der großen Meisterwerke stehen. Ihr Geschmack ist zweifelhaft, ihr Urteil fehlgeleitet.

Guten Tag

Dr. Timo Beim

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