Unter dem Pseudonym Erik Reger veröffentlichte Hermann Dannenberger 1931 den Roman „Union der festen Hand“. Ausgehend von seiner langjähriger Arbeit in der Presseabteilung der Friedrich Krupp AG  legt er auf 500 Seiten die Anatomie des Kapitalismus  zur Zeit der Weimarer Republik frei. Er zeigt in die Realität kaum verhüllender Form die Machenschaften der Krupps und ihrer Geschäftspartner, die Verstrickungen der Firmen in die Politik, die Manipulation der Presse und den berechnenden Umgang mit der eigenen Belegschaft in epischer Breite und in überwiegend journalistischem Ton. Den Kapitalisten, die von einer Clique immer wieder auftauchender Figuren repräsentiert werden, stehen die Arbeitnehmer gegenüber, die sich ihrerseits in Angestellte, Arbeiter und deren Angehörige einteilen lassen. Den Kapitalisten gehört die Sympathie des Autors nicht. Sie werden durchweg  als arrogant, hochmütig, berechnend, zynisch, egoistisch und profitgierig dargestellt. Und ihre Handlungen bestätigen dieses Bild vollends. Der Unternehmer strebt nach Profit, dieser ermöglicht Macht, diese ermöglicht Einfluss, dieser wird zum Zwecke der Profitsteigerung eingesetzt, womit sich der Kreis schließt. Dieser Mechanismus ist wohl auch dem einfältigsten Occupy-„Aktivisten“ klar und gehört zu den Urweisheiten des angewandten Kapitalismus. Das macht ihn aber deshalb noch nicht banal, im Gegenteil. Dieses Axiom des Kapitalismus gilt für jeden Bereich, der Geschäfte macht und durch die reine Größe und den Einfluss der Unternehmung eine Gesellschaft beeinflusst, ganz egal, ob es sich um riesige Montan- oder Schwerindustriekonzerne handelt, wie im vorliegenden Beispiel, oder um Banken wie im Moment.

Was aber wesentlich aufschlussreicher ist, ist der Umgang der Unternehmer miteinander. Reger zeichnet ein schizophrenes System nach, der einerseits auf Konkurrenz zu basieren scheint, andererseits aber gleichzeitig von gemeinsamer Kumpanie  und profitorientierter Solidarität (wenn man das so nennen kann) geprägt ist. Man bildet Allianzen, um Preise, Einflusssphären oder Absatzmärkte gegen Konkurrenz zu sichern. Ein paradoxer Kreislauf, dessen Logik nicht so leicht nachzuvollziehen ist. Es gibt nicht einmal einen gemeinsamen Feind, von den Kommunisten, Sozialdemokraten und den Gewerkschaften mal abgesehen. Mal wird einer zum Konkurrent, der eben noch ein Verbündeter war und umgekehrt. Der Feind ist alles, was den Profit mindert.  Große Anstrengungen legt die aus Gründen der Profitmaximierung gegründete Union der festen Hand, die aus den größten Kohle- und Stahlwerken (sowie aus einigen weiteren Konzernen) besteht, an Tag, wenn es darum geht, die Arbeitnehmervertreter klein zu halten oder durch vorgeblich gemeinnützige Taten soziales Profil zu entwickeln. Dies geschieht hauptsächlich über massive Manipulation der öffentlichen Meinung durch Werbung, wissenschaftliche Veröffentlichungen, durch gezielt platzierte Propaganda in verschiedensten Organen. Auch das ist  nichts historisch Singuläres. Man denke doch einen kurzen Augenblick an die schönen Werbespots der Energierwirtschaft, die saubere Technologien zur Energiegewinnung für sich beanspruchen, von denen keine einzige mehr ist als eine Powerpoint-Präsentation bei „Jugend forscht“ (Stichwort Gezeitenkraftwerk der RWE).

 Bei allem offensichtlichen Abscheu gegen den Kapitalismus im Allgemeinen kommt allerdings auch die Arbeitnehmerschaft  nicht gut weg. Adam Griguszies ist so etwas wie der Protagonist der Arbeiterschaft, denn ihn verfolgt man über manchen Etappen durch den ganzen Roman hindurch. Ihm gehört noch die meiste Sympathie des Autors. Dem Rest der Arbeiterschaft bescheinigt Reger kleinbürgerlichen Ehrgeiz, es besser haben zu wollen als der Nachbar, fehlende Solidarität untereinander, Streitsucht, Eigennutz, Unwissenheit und das Verharren in schlichtesten Denkmustern, das sich sprachlich im Wiederholen von Redewendungen und Phraseologismen niederschlägt. Im Grunde sind Unternehmer und Arbeiter vom gleichen Schlag. Das ist antrophologisch gesehen doch immerhin positiv.

Mit der Zeit tauchen auch die Nazis auf der politischen Bühne auf, und einige der Unternehmer ergreifen die scheinbare politische Alternative, um sie für ihre Zwecke einzuspannen wie die übrigen Parteien auch. Man hat Reger vorgeworfen, dass er die massive Zunahme des Einflusses der Nationalsozialisten auf die Unternehmer nicht im richtigen Maß erfasst hat. Ich denke, man kann ihm diesen Vorwurf nicht machen, ohne zu bedenken, dass die großen Unternehmer erst  nach der Machtergreifung (oder zumindest erst sehr kurz vorher) Hitler in die Arme gefallen sind. Auf diese Art von politischer Toleranz, jedes System anzunehmen, solange es einem gute Profite ermöglicht, hingewiesen zu haben, ist allerdings ein Verdienst von Reger.

Im Ganzen gesehen ist dieser sehr dokumentarische Roman also zuerst als ein Schwarzbuch des Kapitalismus zu lesen. Man kann ihn aber auch als eine Eschatolgie der Moderne lesen, die sich im Taumel der kapitalistischen Ersatzreligion im Egoismus aller und im Gewinnstreben einiger weniger selbst zerfleischt.


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