An einem Sonntag in Aberdeen fiel mir in einem Waterstone’s in der Anteilung “Scotish writers” die Trilogie Berlin noir von Philip Kerr in die Hände. Eigentlich war ich auf der Suche nach ein paar Bänden von Stuart MacBrides Krimis, die in Aberdeen spielen. Die Schotten schauen schon sehr genau hin, wer zu ihnen gehört. Kerr ist gebürtiger Schotte, lebt aber, soweit ich weiß, schon seit Längerem in London. Also steht er mit vollem Recht in der Ecke der schottischen Autoren.


Die Trilogie “Berlin Noir” spielt im Berlin der 30iger Jahre des 20. Jahrhunderts. Hauptfigur ist der als klassischer Antiheld gezeichnete Privatdetektiv Bernie Gunther, der früher als Polizist, später als Sicherheitschefs des legendären Adlon, nun aber als privater Ermittler über die Runden zu kommen sucht. Keine leichte Sache im Dritten Reich, aber eine einträgliche, wie Gunther es selbst sagt. Ständig verschwinden Menschen spurlos, und besorgte Angehörige zahlen viel Geld, um zu erfahren, was mit ihren Lieben geschehen ist, auch wenn das meist keine guten Nachrichten sind. Die Story des ersten Romans( nur den habe ich bisher gelesen) “march violets” könnte auch aus einem klassischen Hardboiler stammen und in der Tat ist der Roman im Grunde eine klassische Dektektivstory, die einem Chandler zur Ehre gereichen würde. Gunther soll im Auftrag des steinreichen Industriekapitäns Six den Mord an dessen Tochter und deren Ehemann aufklären sowie ein verschwundenes Collier wiederfinden. Bald schon begegnen ihm die typischen Figuren: eine atemberaubende Blondine, fiese Gangster und deren skrupellose Bosse und tumbe, aber gewaltätige Polizisten. Im vorliegenden Fall kommen noch Vertreter der Gestapo, der SS ja sogar Hermann Göring höchstpersönlich vor. Aber ein Privatdetektiv ist hart im Nehmen, teilt auch gerne mal aus und reißt auch dann noch dumme Sprüche, wenn es eng für ihn wird. So gesehen erfüllt die Hauptfigur alle Klischees der Textsorte. Viel wird dem guten Gunther aberverlangt, ein eher unfreiwilliger Deal mit der SS bringt ihn zeitweise sogar ins KZ Dachau. Dieser Abschnitt ist in meinen Augen der schriftstellerisch stärkste des ganzen Romans: schonungslos, hart, unbarmherzig. Die im Ganzen traditionelle Story gewinnt ihren Reiz natürlich durch Szenerie, in der sich die Geschichte abspielt. Der Roman ist kein Sittengemälde, eher holzschnittartig der Eindruck des Lebens unter Hakenkreuz, aber dennoch in seiner brutalen, menschenverachtenden Banalistät gut getroffen. Am spannendsten ist es aber, dem Helden zu folgen, zu schauen, wie und ob er sich mit dem System gemein macht, opponiert oder anpasst. Der Roman hat kein Happy End, wie könnte er eines haben, in solchen Zeiten. Vielmehr endet ein Fall für Gunther, der sich dieses Mal noch retten konnte, aber jemand anderen vielleicht nicht.


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