Nach dem Buch über die Beziehung Goethes zu Frau von Stein schloss sich nahtlos die Lektüre des vorliegenden Werkes an. In der breitgefächerten Goetheforschung kommt Christiane Vulpius traditionell schlecht weg. Obwohl sie seit 1788 bis zu ihrem Tod im Jahr mit ihm zusammenlebte, seit 1806 sogar offiziell als seine Ehefrau. Die hartnäckigen und langlebigen Resentiments des kleinen Weimarer Hofes scheinen in dieser beinah bis auf den heuitgen Tage reichenden Abneigung eine dauerhafte Fortsetzung zu finden. Unbegreiflich schon für viele der Zeitgenossen, warum Goethe sich ausgerechnet in ein armes, aus einfachsten Verhältnissen stammenden, Mädchen verliebt und beschließt, sie zu sich zu nehmen. Selbst seit 1775 geadelt und bis zu seinem Aufbruch nach Italien 1786 in den höchsten Gremien des kleinen Fürstentums beschäftigt, von Bürgern wie Adligen verehrt und bewundert, mit freundschaftlichen Kontakten, die bis in die höchsten Kreisen reichten, hatte er eine große Auswahl an adligen Töchtern gutbetuchter Fürsten. Und doch wählt er ein armes Mädchen aus Weimar, das ihm kurz nach seiner Rückkehr aus Italien im Park an der Ilm über den Weg läuft. Das zu akzeptieren fiel der Weimarer Hofgesellschaft schwer und es fällt auch aufgeklärteren Gemütern neueren Zeiten schwer sich damit abzufinden. Die Nichtbeachtung der Frau von Goethe geht sogar soweit, dass man sie Christiane nennt. Ihr richtiger Name ist aber Christiana. Goethe hat sie so genannt, in Urkunden und anderen Dokumenten findet sich der richtige Name und ihre Briefe unterschrieb sie mit ihrem richtigen Namen. Es verwundert also sehr, wenn erst Sigrid Damm dafür sorgen muss, dass Christianes richtiger Name in das Bewußtsein der Menschen rückt. Wenn sie von der Autorin dennoch weiterhin Christiane genannt wird, so ist das eine Kapitulation vor tumben Behäbigkeit der Konvention.
Gerade die unkorrekte Nennung beweist die überhebliche Ignoranz, mit der Christiane seit, sie in Goethes Leben trat, behandelt wurde. Andere haben Glück und werden irgendwann nach ihrem Tod vergessen, vollständig. Von Christiane bleiben aber auch 200 Jahre nach ihrem Tod zumeist Negatives. Man nannte sie „Goethes Magd“, „ein rundes Nichts“, „eine geistige Null“, Bettina von Armin bezeichnete sie sogar als „Blutwurst“.
Dass Goethe sie geliebt hat, und das doch ausreichend sein sollte, wird manchmal sogar angezweifelt.
Es ist also Sigrid Damms Verdienst, Goethes langjähriger Begleiterin und Frau Gerechtigkeit verschafft und ihr in ihrem Buch ein im besten Sinne unspektakuläres und freundlich gesinntes Denkmal gesetzt zu haben.
Sachlich und trotzdem leise Sympathie bekunden erzählt sie Christianes Leben vor der Bekanntschaft mit Goethe. Erst nach ca. 100 Seiten treffen Goethe und die 15 Jahre jüngere Christiane im Park an der Ilm aufeinander. Vorher lernt man nicht nur ihre Vofahren kennen, sondern man darf auch einen Blick auf die kultur- und alltagsgeschichtlichen Umstände der sogenannten „einfachen“ Leute im 17. und 18.Jahrhunderts.
Das verzweifelte Bemühen der Vorfahren um unbezahlte Stellen in der Verwaltung der absolutistischen Fürstentümer der Zeit, die Not, die Armut, etc.
Das Leben mit Goethe wird unter Einbeziehung zahlreicher Quellen lebendig dargestellt. Man verfolgt das Leben der beiden durch die Jahre, sieht Höhen und Tiefen kommen und wieder gehen; verfolgt die ersten schüchternen Versuche Christianes im Leben der feinen Gesellschaft Fuß zu fassen, sich zu behaupten.
Man sieht sie tanzen und sich vergnügen, während Goethe zuhause sitzt und planvoll ein Werk vorantreibt.
Auch ihren Tod schildert die Autorin, wie Christiane sich in schweren Krämpfen windet und Goethe sich selbst in eine Krankheit flüchtet, um das alles nicht mit ansehen zu müssen. Goethes so bekannte „Scheu“ vor dem Tod findet an dieser Stelle sein dunkelstes Beispiel.
Sicher hatte Christiane nicht den Einfluss auf das Werk ihres Mannes wie Charlotte von Stein oder Marianne von Willemer. Sie, die sich nie viel mit seinem Werk beschäftigt hat, obwohl die oft kolportierte Aussagen, nach der sie nie eines seiner Werke gelesen habe, nicht zutrifft, musste oft zugunsten des Werkes ihres Mannes zurücktreten, wenn er monatelang auf Reisen war, sich lange Zeit nach Jena zurückzog, um ungestört arbeiten zu können. In letzter Konsequenz musste sie sich dem „höheren“ Ziel unterordnen, was ihre lange Zeit schwerfiel. Und dennoch hat Goethe zu ihr gehalten und sie schließlich, auch um sie materiell abzusichern im Falles seines Todes, zu Frau genommen.
Das Buch ist kein wissenschaftliches Werk, Gott sei Dank, und schon gar keines, das durch die feministische Brille die Verhältnisse verzerrt. Es ist ein Buch mit starkem erzählerischem Akzent. Das belegen auch die zahlreichen Elipsen, die, vor allem zu Beginn des Buches, ein klein wenig negativ ausfallen. In der Ausgabe des Spiegel ist dieses schöne Werk auch zu einem mehr als fairen Preis in einer guten Ausgabe zugänglich.


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