Habe mit halbem Auge die Vorschau gesehen und mich gefreut. Eine neue Staffel Stromberg? Leider nein. Was ganz Neues? Mal sehen. Zugegeben, ich bin kein besonderer Fan von Krimiserien im TV, schon gar nicht von deutschen Eigenproduktionen (obwohl, demnächst startet „Lasko – die Faust Gottes“ auf RTL, das wird bestimmt ein ganz großer Quatsch, da sollte man mal reinschauen…). Aber, wenn der Herbst mitspielt, dann riskier‘ ich mal einen Blick, dachte ich mir, vielleicht wird’s ja lustig. Der Sender hat nicht wirklich viel dazu getan, um dieses Vorverständnis abzubauen. Stattdessen ließ die Vorschau den Zuschauer offenbar bewusst im Unklaren darüber, was denn nun auf einen zukommt: Comedy oder ernster Krimi? Oder eine Mischung aus beidem?

Es wurde eine ernster Krimi, nicht ohne ein paar Spritzer Humor. Das Interessante  daran war das ungewöhnliche Format, das an Klassiker von Agatha Christie erinnerte. Alle Verdächtige sind an einem Ort versammelt und bleiben auch da, bis der Fall gelöst ist, oder sie als Verdächtige ausscheiden. Der Schauplatz der Tat ist auch Schauplatz seiner Aufklärung. Das erzeugt Beklemmung und Spannung. Gut gemacht. Mal schauen, ob man das in den nächsten Sendungen beibehält. Inhaltlich wirkte die Sache doch etwas arg konstruiert. Alle paar Minuten nimmt der Fall eine neue Wendung, Verdächtige scheiden aus der Suche nach dem Täter scheinbar aus, neue Erkenntnisse machen eine veränderte Strategie erforderlich. Alles wird häppchenweise enthüllt, bis zur Negation der scheinbar neuen Information. Das ist ja aber nichts Neues. Die Serie folgt somit nur der Hermeneutik des Verbrechens im klassischen Kriminalroman. Dass der Verwicklungen und entscheidenden Wendungen ein bisschen zu viel sind, sodass die Sache ins Unglaubwürdige abdriftet, ist spätestens klar, als bekannt wird, dass das Opfer gar keine Frau war, sondern ein Mann. Ihr ehemaliger Liebhaber scheint das nicht mitbekommen zu haben, als er kiffend Kreutzer von seiner Beziehung mit dem Opfer berichtet.

Davon mal abgesehen lebt die Sendung vom ermittelnden Kommissar. Und alle berühmten Detektive und Kommissare zeichnen sich durch ihre einzigartige Methode aus. Maigret durch psychologische Einfühlung, Sherlock Holmes durch seine präzise Beobachtungsgabe gepaart mit seinem messerscharfen Verstand, Columbo durch die Kaschierung seiner Schlauheit im Bild des trotteligen Kommissars usw.

Die Methode von Kreutzer ist anders. Zwar ist auch er ein genauer Beobachter, auch er versteht es, Fakten zu kombinieren und Schlüsse zu ziehen, aber das sind sozusagen nur die Grundfähigkeiten. Was ihn von anderen Ermittlern unterscheidet, liegt im sozial-kommunikativen Bereich. Er stellt sich auf die Verdächtigen ein, spielt ihnen etwas vor mit dem Ziel, sie zu provozieren und sie damit aus der scheinbar sicheren Reserve ihres Alibis zu locken. Schafft er dies, so lässt der Verdächtige für einen Moment die Maske fallen. In diesen kurzen Augenblicken kann Kreutzer seine Schlüsse ziehen, denn die wahre Disposition des Verdächtigen blitzt kurz auf. Schauspielerisch ist das eine anspruchsvolle Sache. Christoph Maria Herbst zeigt sich der Aufgabe gewachsen. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass man ihm solche Szenen auf den Leib geschrieben hat, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich als ernstzunehmender Schauspieler zu profilieren, um endlich aus dem Schatten von Stromberg zu treten.

Das gelingt leider (noch) nicht. Zu prägnant ist die Stromberg-Figur auch in Kreutzer. Und genau das ist das Problem an der Serie, weshalb sie gestern nicht vollends überzeugen konnte. Pro7 scheint das aber entweder egal zu sein, denn schon der hybride Trailer ließ eine Zuordnung ja nicht zu, oder der Sender spielt bewusst die Stromberg-Karte aus, um der Sendung zu Zuschauern zu verhelfen. Dafür spricht, dass im Anschluss an Kreutzer einige Folgen der letzten Stromberg-Staffel gezeigt wurden. Das wird der Serie aber nicht helfen. So kann sich das im Ganzen interessante Konzept nicht deutlich genug zeigen, es ist verdammt, im Schatten der Stromberg-Comedy zu verharren. Man verkennt das Potential der Serie aus Angst, etwas Neues zu machen und zu scheitern, also kleistert man Bekanntes drüber in der Hoffnung, so genügend Quote zu machen. Für Christoph Maria Herbst wird es so schwierig, Stromberg abzulegen. Hoffentlich wird er nicht irgendwann selbst zu seiner Figur, um an die alten Erfolge scheinbar anzuknüpfen. Wer wissen will, wie weit so etwas gehen kann, der werfe einen Blick auf Pierre Brice und seine Beurteilung von Herbigs „Schuh des Manitu“.


1 Kommentar

Konrad R. · 02.11.2010 um 13:22

Ich muss sagen, ich wusste auch nicht genau was mich erwartet und war ein bisschen enttäuscht. Vielleicht war das aber nur die Vorprägung durch Stromberg, die man aus dem Kopf bekommen muss. Ich denke eine zweite Chance gebe ich also Kreutzer sogar.

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