Der Kontrast hätte kaum größer sein können. Neben der Schleyerhalle steppte der Bär auf dem Wasen in der Halle gab sich Leonard Cohen die Ehre. Dort Lärm, blinkende Lichter und ausgelassene Stimmung, hier ruhige Musik, gedämpftes Licht und wohlig melancholische Stimmung. Dort jugendliche Unordnung, hier die Eltern- oder gar Großelterngeneration sauber geordnet auf unzähligen Stuhlreihen. Dort Schüler hier ihre Lehrer. Wie auf einem Schulausflug, wenn das Hauptprogramm rum ist und jeder die letzten 2  Stunden des Ausflugs nach eigenen Vorstellungen gestalten darf. So hatte gestern wohl jeder seinen Spaß in Stuttgart.

Leonard Cohen, mit großen Ensemble auf auf der Bühne machte für seine 75 Jahre einen ziemlich guten Eindruck. Im typischen schwarzen Anzug mit schwarzem Hut kniete er in fast jeden Lied zeitweise auf der Bühne, am Ende der Sets hüpfte  er sogar von der Bühne.  Die Show ging, inklusive einer Pause von 20 min und 45min Zugabe, von 20 Uhr bis 23.45!

Seine getragene Musik wurde hier durch die zahlreichen Soli der Musiker noch ein gedehnt, was den Abend zu einer Apotheose der Entschleunigung werden ließ. Ohne seine großen Hits in der bekannten Form herunter zu spielen, beeindruckte die Stimme von Cohen und sein Art zu sprechen. Immer im Takt der Musik oder im Metrum seiner Verse, was im Grunde aber eines ist, zitierte er eigene Verse, nahm Stellung zu den Stuttgart 21-Ereignisse und bedankte sich elegant beim Publikum. Sound, Licht etc. war perfekt, ich finde, ein wenig zu perfekt. Der Charakter eines Livs-konzerts ging dabei ein  wenig verloren. Auf der Bühne stand ein Mann, der die Kraft eines jeden Wortes zu schätzen weiß. Kein überflüssiges Wort fiel an diesem Abend. Alles wohl abgewogen. Eine Show, die dadurch manchmal an  die Wucht und Strenge der Verse von Stefan George erinnerte. Ich glaube, jeder in der Halle war sich klar, dass er eine Legende gesehen hat, weniger Musiker als Poet, sozusagen eine Epiphanie der Kunst im abgedroschenen, schäbigen Reich der Unterhaltung.


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