Ein Höhepunkt der Reise war sicherlich der Besuch im Globe Theatre gestern Abend. Leider wurde kein Shakespeare gegeben, dafür „Bedlam“ von Nell Leyshon. Immerhin das erste Stück einer Frau, das hier aufgeführt wird. Wenn man Grabbe und anderen vorgeworfen hat, sie würden in ihren Stücken bisweilen „schillern“, also Pathos, Motivik etc. von Schiller nachahmne, so kann man entsprechend sagen, dass die Autorin kräftig „shakespearisiert“.

Weshalb das Sück auch so gut in Globe passt. Derbe ging’s zur Sache und anzüglich in Wort und Geste. Schauspieler rennen durch das vor der Bühen stehende Publikum, aus den oberen Rängen wird Wasser aus Nachttöpfen auf die Zuschauer gekippt, es wird gesungen, getanzt, die Handlung nimmt komische Wendungen, moralisch-sozialkritische Töne mischen sich dazwischen, am Ende geht alles wohl gut aus. Das Stück spielt in einem berüchtigten Londoner Irrenhaus in Bedlam im 18. Jahrhundert., man kann sich vorstellen, wie es da drunter und drüber geht. Der Chef der Einrichtung öffnet am Sonntag die Pforten seiner Heilanstalt für Besucher, die für einen Penny die Insassen bestaunen dürfen (was übrigens der historischen Wahrheit entsprechen soll, wie die Autorin in einem Artikel konstatiert. Sein grenzdebiler Sohn will endlich nähere Bekanntschaft mit einer Frau schließen, ein anderer „lunatic“ möchte vor allem die Frauen betatschen, ein egomanischer Poet, der im Übrigen dafür verantwortlich ist, dass eine junge Frau, die von ihm geschwängert, im Irrenhaus einsitzen muss, obwohl sie eigentlich gesund ist, dieser Poet ist hinter einer neuen „Irren“ her, die überaus hübsch, wenn auch ein wenig verwirrt, auf der Suche nach ihrem „Billy“ diesen ständig mit anderen verwechselt. Jener Billy kommt sie suchen, ein junger Kollege des Irrenarztes kritisiert die Praktiken in diesem Irrenhaus. Für Verwicklung ist also gesorgt. Ich füge hier mal den Link zu dem Artikel der Autorin ein, darin mehr zum Inhalt und der historischen Bezügen; http://www.thisislondon.co.uk/theatre/article-23867844-back-to-bedlam-at-the-globe.do .

Beeindruckender aber als Stück, das sich wie gesagt ein gelungenes Konglomerat aus dem dramaturigschen Werkzeugkasten Shakepeares, war die Anlage des Globe, das man in den Neunziger, glaube ich, nach dem Vorbild des ursprünglichen Theaters an gleicher Stelle erbaut hat. Stehende Zuschauer im Innenraum, enge Emporen, eine exponierte Bühne, das Ganze aus Holz und ein Dach aus Ried. Man kann gut fühlen, was Theater zu Shakespeares Zeiten war: Unterhaltung in erster Linie, nicht verinnerlichtes bildungsbürgerliches Erlebnis, sondern kunstvolle Show für alle. Auch heute noch ist es erlaubt, ins Theater sein Bier mitzubringen und so steht man, eng gedrrängt, das Bier in der Hand und schaut hinauf auf die Bühne, vergleichbar nur einem Rockkonzert. Wieso macht das sonst keiner? So könnte man doch die etwas jüngere und zudem zumindest grundsätzlich kuturell interessierte Zielgruppe  ins Theater locken. Wieso gehe ich denn nicht ins Theater: weil es eine steife, miefige und spießbürgerlich vergreiste Angelegenheit ist. Kein kathartisches Erlebnis für den Bildungsbürger, sondern Ausnutzen des Theaterabos.

Also reißt die ersten Sitzereihen aus dem Theater!


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