Wenn alles nur der PR für sein in ein paar Stunden erscheinendes Buch dienen sollte, dann ist die Sache mehr als gelungen. Ob der Preis dafür nicht ein wenig hoch ist, weiß Sarrazin wohl nur selbst. Immerhin dürfte er die Konservativen, die bekennenden aber auch die zahlreichen Anhänger der verborgenen Rechten als potentielle Käufer gelockt haben. Vielleicht greifen auch ein paar BILD-Leser zu. Denn nicht auf die Leser, auf die Käufer kommt es an, wie jeder Verleger heute weiß. Ist diese Ausweitung der Zielgruppe vielleicht auch abgeschmackt und möglicherweise in den Augen des Autors nur Mittel zum Zweck und insofern der Steigerung der Absatzzahlen dienlich, so könnte der politische Preis vielleicht ein wenig höher sein als gedacht.

Sogar Roland Koch, ein Virtuose im Umgang mit Fakten, um den Begriff „Wahrheit“ mal außen vor zu lassen, rückt von Sarrazin ab. Die Parteienlandschaft scheint sich in der Ablehnung zumindest in den Reihen der gemäßigten Parteien einig zu sein. Wenn man sich doch mal so schön einig wäre, wenn es um die richtigen Probleme in Deutschland geht. Aber sich einig sein, wenn es nichts kostet, ist natürlich leicht. Und bei einem, der ohnehin den Ruf eines politischen Provokateurs genießt, der sich dieses Mal vielleicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, kostet es natürlich wenig, mal so richtig den Entrüsteten zu spielen. So ergreifen alle wichtigen Politiker die Gelegenheit zur medialen Präsenz im sonst an Gelegenheiten armen politischen Sommerloch. Und vielleicht ist die ganze Sache auch nicht mehr als ein politischer Sturm im Wasserglas, mit dem man auf Politikerseite sein Bedǘrfnis nach öffentlicher Mitteilung in diesen Zeiten ein wenig stillen kann. Und die Medien haben ihrerseits ein Thema. Da gibt’s bei Anne Will endlich wieder was zu streiten. Mit den Menschen in Pakistan und Indien, die um ihr Überleben kämpfen, kann mal wohl nicht mehr genug Quote machen. Das Thema scheint medienstrategisch durch zu sein.

Über die Äußerungen von Sarrazin brauche ich hier keine großen Worte zu verlieren, da dieser Schwachsinn bereits oft genug kommentiert wurde. Interessant ist allerdings noch eines. Es scheint, als haben wir hier wieder mal ein Beispiel dafür gesehen, wie man in dem Versuch, einen Fehler wieder gut zu machen, oder zumindest soweit rhetorisch zurückzurudern, dass man damit durch kommt, einen noch gröberen Schnitzer oben drauf setzt. Als weiteres Beispiel fällt mir Christoph Daum ein, als er vollmundig die Abgabe einer Haarprobe zwecks Widerlegung der Behauptung des Drogenkonsums vor der versammelten Presse ankündigte: „ Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe.“


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