Zuhause führen wir Huttenheim, einen in den 70ern eingemeindeten Stadtteil von Philippsburg, gerne in jedwedem Zusammenhang spöttisch als Beispiel an, in dem es um ein ländliches, etwas weltfremdes Dorf geht. Allerdings hat Huttenheim 2400 Einwohner und gehört zu Philippburg, welches bereits über 12.000 Einwohner sowie eine stündliche Zuganbindung an Karlsruhe hat. Läge Huttenheim auf den Orkneys, würde es wohl mit sofortiger Wirkung zur Hauptstadt erklärt, denn hier sind wir wirklich auf dem Land. Zwar hat sich dieses Gefühl aufgrund der Abwesenheit von öffentlichen Nahverkehrsmitteln und der Praxis, dass JEDER, der sich auf der Straße begegnet, sich grüßt (auch die Autofahrer, die einem beim Wandern entgegenkommen, heben fröhlich die Hand), bereits eingeschlichen, aber mit einem Schlag bewusst wurde uns die Tatsache, dass es nicht mehr viel ländlicher wird als hier, heute. Am Samstag ist hier das größte Event des Jahres (nach dem Ba`Game): die Orkney County Show.
image

Heute fand, sozusagen als Einstimmung, die Dounby County Show statt. Dounby ist ein Dorf in der Mitte der Insel und so klein und unbedeutend, dass nicht einmal die unendliche Weisheit des Internets etwas über seine Einwohnerzahl auszuspucken vermag. Auf jeden Fall beschlossen wir, uns diese Kuriosität anzusehen, schließlich musste es etwas besonderes sein, wenn extra dafür Busse eingerichtet werden!

Das war es dann auch. 20 Minuten bevor der Bus von Kirwall losfahren sollte, war er bereits hoffnungslos überfüllt und die Schlange draußen wuchs. Aufgestylte Jugendliche , junge Familien mit Kinderwägen, alte Männer mit Baskenmützen und unverständlichem Dialekt und wir. Ein zweiter Bus wurde angefordert und ab ging es. Nach einem kurzen Zwischenstopp (die Busfahrerin hatte zwei Bekannte an der Straße entdeckt und hielt, die Straße für alle hinter ihr blockierend, für einen kleinen Schwatz – ein weiterer unumstößlicher Beweis dafür, dass man die Stadt lang hinter sich gelassen hat) kamen wir an. Schon von weitem war die County Show an den Menschenmassen zu erkennen, die sich in Richtung Dorfplatz schoben, von dem sich bereits Fahrgeschäfte und landwirtschaftliche Maschinen erhoben. image

Und das war noch lange nicht alles.

Die County Show ist eine großartige Mischung aus Landwirtschaftsmesse, Kerwe, Reitturnier, Viehmarkt und Volksfest. Das Interessanteste waren aber sicherlich die Tiere und das System selbige auszuzeichnen (die Details bleiben den Eingeweihten vorbehalten), aber was wir verstanden haben, ist, dass dies kein Wettbewerb ist, bei dem einer traurig nach Hause geht: Hier kann jeder gewinnen! Man muss nur für jeden die richtige Kategorie erfinden! Für Ponys zum Beispiel konnten wir folgende Kategorien ausmachen:

  • bestes weibliches/ männliches Pony einer bestimmten Rasse

  • bestes Pony einer bestimmten Rasse (geschlechterübergreifend)

  • bestes Pony überhaupt

  • bestes Pony, das vom Besitzer selbst gezüchtet wurde

  • bestes Pony, das auf Orkney geboren wurde

  • bestes geschecktes Pony

  • bestes Pony, das an der Hand vorgeführt wurde

  • bestes Pony, das unter einem Reiter vorgestellt wurde

  • bestes Ponypaar

  • bestes Ponyfohlen

Und die Prämien werden von den stolzen Siegern an den provisorisch aufgebauten Ställen der Tiere angebracht, so dass zwar jeder sehen kann, welches Tier wie gut war, was aber auch zur Folge hat, dass die besten Tiere hinter all ihren bunten Schleifen kaum noch zu erkennen sind.
image

Es gibt Geflügel, Schafe, Pferde, Rinder, Hunde. Selbst Zuchtstiere werden hier durch die Menge gezerrt, an nichts als einem Nasenring. Das Gottvertrauen, dass diese tonnenschweren Tiere nicht auf einmal losrennen und ein kleines Kind dann später fehlt, zeugt entweder von wahrem Einfühlungsvermögen in die Tiere oder aber von großer Naivität – in beiden Fällen aber wissen wir sicher: Wir sind auf dem Land!

Karla Kolumna


0 Kommentare

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: