Hemingway ist der Meister eines bedeutungsschwangeren, kargen Minimalismus. Das zeigt er auch in diesem Roman aus dem Jahr 1929 wieder sehr eindrücklich. Genau wie ein Meister der Feder- oder der Kohlezeichnung es vermag, mit einigen wenigen Strichen, ein Setting oder eine Charaktere auf das Papier zu bringen und mit dieser Momentaufnahme eine ganze Geschichte erzählt, so schafft es Hemingway in wortkargen Schilderungen und Dialogen meisterhaft, die psychologische Tiefgründigkeit seiner Helden und Geschichten auszuloten. Bekannt ist auch Hemingways eigener Vergleich seines Schreibstils mit einem Eisberg, von dem nur ein kleiner Teil sichtbar ist. Die eigentliche Kraft, die Wucht der Erzählung verbirgt sich unter dem Nicht-Gesagten, unterhalb des Meeresspiegels im Roman – Der Protagonist des Romans, Frederic Henry, ist ein amerikanischer Soldat, der im ersten Weltkrieg an der italienischen-österreichischen Front als Krankenwagenfahrer arbeitet. Henry ist ein Held, wie man ihn von Hemingway erwartet. Noch im Schützengraben, während schon rechts und links neben ihnen die Granaten detonieren, entkorken Henry und Kompagnons die Rotweinflaschen, packen den Parmesan aus und reiben ihn über die kalte Pasta. Wenige Sekunden später sind sie durch eine Bombenexplosion tot oder lebensgefährlich verletzt. Henry, der Fleischwunden an beiden Beine und ein zertrümmertes Knie davonträgt, sucht seine Kollegen und kommentiert das Erlebte wie eine Figur aus dem Bruce-Willis-Repertoire mit lakonischen und höhnischen Sprüchen. – Hemingway zeichnet mit Henry das Bild eines Mannes, der durch die Erlebnisse des Krieges emotional abgestumpft ist und dessen Reaktionen auf den Tod von Kameraden gemäß dem militärischen Verhaltenscodex in Kriegszeiten nur mit einem kurzen Salutieren und einem Wermutschnaps gedacht werden kann. Ein Ende des Krieges ist nicht absehbar, die Bewegung an der Front stagniert, abgesehen von einzelnen Übergriffen; Soldaten bestellen bereits Felder mit Kartoffeln oder geben sich hemmungslosen Alkoholexzessen hin. Die einzigen Gestalten des Roman, die noch kriegsbegeistert und voller Elan an die Front ziehen und kämpfen, werden beschrieben als junge und unvernünftige Greenhorns. Mit der Explosion und der Verletzung tritt die schottische Krankenschwester Catherine in das Leben des verwundeten Helden, die ihn hingebungsvoll pflegt. Die Geschichte seiner Rekonvaleszenz ist zugleich die Geschichte der Liebe zwischen den beiden und Henrys allmählichem Rückzug aus dem Krieg. Die Abkehr von der Front und dem militärischen Heroismus geschieht jedoch nicht aufgrund einer aufflammenden pazifistischen Gesinnung, sondern ist eher einer Kriegsmüdigkeit zu verdanken, die den Helden dazu verleitet einen Privatfrieden zu schließen. Die Liebe zwischen Henry und Catherine ist durchaus echt und erscheint nahezu als übertrieben und idealisiert. Vor dem Hintergrund von Henrys ständiger Sauferei und den ständigen Nachrichten von der Front, die der Liebesgeschichte den schalen Beigeschmack liefert, wird deutlich, wie innerlich kaputt die Generation dieser Kriegshelden eigentlich ist; Es ist die verlorene, psychisch gebrochene Generation, die „generation perdue“, wie sie Gertrude Stein einmal gegenüber Hemingway bezeichnete und die gezeichnet ist von der Sinnlosigkeit des Krieges. Nicht einmal die Liebe vermag Henrys innere Kriegswunden zu heilen. Catherine, seine Alternative zum Schlachtfeld, stirbt im Kindsbett. Dass Henry schließlich auch auf dem Feld der Liebe besiegt wird und sich in die nächste Kneipe zum nächsten Wehrmut oder wieder in den nächsten Krieg trollt, transportiert diejenige Lehre, die Hemingway seinen Helden immer wieder mit unbarmherziger Härte zu vermitteln sucht: Das Leben hat keinen tieferen Sinn und kann den Lebenden jederzeit und auf allen Spielbrettern gleichzeitig matt setzen.


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