Den Ausdruck „Facepalm“ habe ich vor einigen Wochen zum ersten Mal in einem anderen Blog gelesen und nach kurzem vor Augen führen dieser Handlung (Dict.cc sagt dazu: „die Hand vors Gesicht schlagen“) musste ich mal wieder neidlos anerkennen, dass sich die englische Sprache manchmal einfach der kürzeren, prägnanteren und vor allem treffenderen Bilder bedient.

Der Grund, warum ich das schreibe ist einfach. Denn vor wenigen Minuten habe ich, wie in letzter Zeit leider häufiger, ein(e) facepalm gemacht, ich habe mir also die Hand vors Gesicht geschlagen. Ich kam nach Hause und nach der Fernsehberichterstattung eines Ereignisses, das ich hier nicht näher beschreiben möchte, landete ich beim ZDF – Kerner lief. In fünf Tagen ist Bundestagswahl und da darf ein Gespräch unter Experten auch am Dienstag Abend nicht fehlen. Nach einigen apathischen Minuten wurde ich wachgerüttelt. Der Moderator hatte plötzlich ein Notebook auf dem Tisch und schwang lockere Reden, von wegen in den USA ist die Wahl ja unter anderem im Internet gewonnen worden, Obama habe da so crazy Sachen wie Twitter und Facebook genutzt, um das junge Wählervieh anzusprechen. Warum es denn in Deutschland nicht funktioneren würde, und warum das hierzulande sowieso alles so dröge verliefe. Aufgemerkt, von meiner bequemen halbliegend Position schnellte ich katzengleich in die Aufrechte um dem zu lauschen, was da nun folgen sollte. Das fortschrittliche ZDF hat kurz vor der Aufzeichung einen Twitter-Account angelegt, wohlwissend, dass es wohl ein Thema in der Sendung werden würde. Auf des Moderators Notebook wurde daraufhin ein Browser mit der entsprechenden Profilseite geöffnet, nicht ohne zuvor einige Politiker darauf aufmerksam zu machen, dass in der Sendung eben dies zur Sprache gebracht würde. So verlas Kerner freudig herablassend einige Mitteilungen, stets mit Bemerkungen wie „wer braucht sowas“, „ich versteh das nicht“ oder „wer will sowas lesen“ versehen. Um nochmals zu verdeutlichen, wie unsinnig er das ganze findet, wollte er mal ganz locker zeigen, wie einfach es ist, so etwas zu manipulieren. Dazu wollte er die Twitter-Suche bemühen, nicht ahnend, dass man dazu einen Browser bedienen können musste, was ihm wohl keiner gesagt hatte und woran er sogleich auch scheiterte. In seiner Hilflosgkeit rief er nach einem Techniker, welcher auch schnell in Person einer Show-Praktikantin herbeieilte, die twitter.com in die Adresszeile eingab und dem hilflosen Johannes damit aus der Patsche half. Facepalm! Die Suche nach dem eigenen Show-Namen brachte dann auch zu Tage, dass sich ein subversives Element doch tatsächlich genau diesen zu eigen machte, um sinnlose Sachen zu zwitschern. Facepalm! Welch Überraschung. Nur weil das ZDF so rückständig wie unsere Regierungsparteien ist, und jeweils nicht einen fähigen Praktikanten neben gutem Kaffee vielleicht auch dafür abzustellen, die gundlegenden Dinge in der heutigen Informationsgesellschaft zu prüfen. Den Höhepunkt bildete aber die Aussage des vermeintlichen Journalisten, dass im Browser die „File-Back“-Taste nicht funktionert habe, und dass er, weil da ja eh nur Blödsinn geschrieben würde, das ganz hier jetzt beenden wolle nicht ohne nochmals deutlich zu machen: Twitter sei die Pest! Begleitet vom Applaus vieler. So lange solche Internetausdrucker in – tja, tut weh, ist aber so – meinungsbildenden Positionen sitzen, wundern mich viele Sachen nicht. Wie soll ein Mensch, der sich dabei helfen lassen muss, einen Browser zu bedienen, in der Lage sein zu verstehen, um was es in dieser Diskussion überhaupt geht? Jemand, der sich erdreistet zu fragen, wie das ganze Internetzeug denn wirklich ernsthaften Journalismus ersetzen könne. Facepalm. Da hat unser Propagandaministerium ja in der Tat wieder Wunder vollbracht, sogar den Wasserträgern beim ZDF ist mittlerweile klar, wie böse, schlecht und vor allem unnötig das Internet doch ist. Großartig. Und die fragen sich dann ernsthaft, warum so ein Wahlkampf wie er in den USA stattfand hier nicht funktioniert, nehmen aber gerne das Beispiel Iran in den Mund, wo diese Plattform eine der wenigen Möglichkeiten darstellte, sich frei zu äußern, um genau das dann als gelebte Demokrarie zu feiern? Facepalm.
Erhellender Lichtblick in dieser Farce war dann eine Wahlumfrage im Publikum. Zu den fast identischen Ergebnissen bei den ehemaligen Volksparteien gesellten sich run 7 Prozent „Sonstige“ – mit ausdrücklichem Einwurf „überwiegend Piraten“. Dies wurde laut Kerner dem überwiegend jungen Publikum geschuldet, es seien ja zwei Schulklassen anwesend. Haha. Wunderbar. Da sieht man ja, dass die Jugend nicht ernst genommen wird und dass, ich nehme dieses Aussage einfach mal als representativ an, viele den Schuss nicht gehört haben und das genau diese Menschen in naher Zukunft zu recht wählen dürfen, scheinen viele dieser Meinungsmacher noch nicht kapiert zu haben. Setzen. Sechs.


1 Kommentar

Webmädchen · 12.09.2010 um 20:43

Bin durch die Suche nach „facepalm“ auf diesen Artikel gestoßen und lach immernoch 🙂 Vor ein paar Tagen erst waren Flughafen-Zollbeamte bei Kerner und haben live Koffer durchleuchtet.
Der fragliche Koffer war das Reisegepäck einer Amerikareise.
Techniker: „Das da erkennt man sofort, das ist das neue iPad.“
Kerner: „Aha, woher wissen Sie jetzt, dass das neu ist?“.
Facepalm! 🙂

Grüße, das Webmädchen.

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