Fiona_Apple_._Tidal

„This world is bullshit, and you shouldn’t model your life on what you think that we think is cool,
and what we’re wearing and what we’re saying.“

Zugegeben: Ganz dicht ist die Frau nicht. Wer will es ihr verdenken. Frühe Scheidung der Eltern, vergewaltigt mit 12, unzählige Therapien, klar dass da was hängen bleibt. So könnte man vielleicht auch das Skandälchen erklären, das sie bei den MTV-Music-Awards 1997 auslöste. Sie war der Meinung, sie sei nur nominiert worden, weil sie sich halbnackt in ihrem Video zu „Criminal“ in der Badewanne räkelte, und schon lässt sie sich zu dem wahnsinnig prvozierenden Satz „Diese Welt ist ein Stück Scheiße“ (gemeint ist die Welt der Musikindustrie, Anm.d.A.) hinreißen. Puh. In der prüden amerikanischen Medienlandschaft natürlich untragbar – hierzulande würde es ihr gerade mal eine Kurzmeldung bei Explosiv einbringen – wenn überhaupt. Zu allem Überfluss lebt sie auch noch vegan.

Das ist aber zum Glück alles nicht wichtig – hier geht es um ihre Musik, und schließlich
machen die Verrückten unter den Normalen die beste Musik – oder war es umgekehrt?

Ihr Album Tidal strotzt nur so von diesem stetigen Hin- und Hergerissensein zwischen Geniali- und Banali-tät. Beginnt es noch mit treibendem, dennoch stets feínem Hi-Hat, untermauert von grollenden Synthies und immer wieder aufkommenden Dissonanzen, verschwindet die erste Nummer „Sleep to Dream“ spätestes beim leidlich versteckten Refrain in Belanglosigkeit.

Nicht so beim zweiten Stück „Sullen Girl“ – es schreit mich mit Ruhe und Gelassenheit an:
„But he washed me shore and he took my pearl – And left an empty shell of me.“
Unendliche Leere und Verständislosigkeit gepackt in 04:30 – ohne Worte.

„Shadowboxer“ kommt dann wieder sehr blueslastig und schwach daher. Eine Nummer, die zwanghaft um einen eh schon recht müden Refrain gestrickt wurde – nicht gerade ein Anspieltip.

„Criminal“ klingt wie eine Mischung aus PJ Harvey und den Beatles, ist dafür aber eigentlich zu sehr Pop. Tja, wenn da nicht das fast schon unecht und schwer klingende Piano- und Flötenthema wäre, das ständig wiederkehrt, was mich zum ersten Gedanken zurückbringt – es ist eine Mischung aus den Erstgenannten. Fast schon leichte Free-Jazz Ansätze in den letzten 1:30.

Money Quote:
„And its a sad sad world,
When a girl can break a boy
Just because she can“

Bei „Slow Like Honey“ kommt fast rauchige Bar-Atmosphäre auf, Nina Simone oder die frühe Sade lassen stimmlich grüßen – klassischer Slow-Whiskey-Jazz in der Hotelbar um 4 Uhr. Hat was.

Die nächsten Stücke bilden den Mittelteil des Albums und sind sehr variabel. Uptempo-Bossanova, verletzliche Kopfstimme, weinerliche Streicher und wieder Bar-Blues. Wenn Fiona dann bei „The Child Is Gone“ singt „I’m a stranger to myself“, dann nimmt man ihr das einfach so ab.

Der Snare-Besen unter „Carrion“ streichelt die Melodie und perfektioniert das Lo-Fi, der überraschende Break, der quasi ein völlig anderes Lied einleitet ist etwas holprig, dennoch versinkt man im weichen Bassbett. Der folgende Refrain zerstört leider das eigentliche Lied, jedoch rettet das herrlich hingerotzte Solo wieder vieles.

Fiona Apples Stimme vereint ständig Gegensätze, mal wütend mal zuckersüß, mal verletzlich mal austeilend, und das überträgt sich auch auf ihre Lieder…

Kategorien: MusikRezension

1 Kommentar

lynkeus · 03.09.2009 um 15:45

Hi,
in meinen Plattenschrank fehlt die Platte. Asche auf mein Haupt…
Aber ich erinnere mich daran, dass du mir die Platte bei einer unserer Sitzungen mal vorgespielt hast. Klang gut damals…

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