Irgendwann kommt man in ein Alter, wo die Leute um einen herum anfangen, Familien zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen. Man könnte fast meinen, das sei eine Mode und der eine will, was der andere schon hat. So wie zum Beispiel vor ein paar Jahren jeder unserer individuellen, sich selbst verwirklichenden Mitmenschen auf einmal unbedingt nach Vietnam oder Thailand reisen musste. Als ob es dort was umsonst gegeben hat. Aber das ist ein ganz anderes Thema (über das man sich aber auch mal Gedanken machen könnte).
Was passiert denn, nachdem nun die „gebildeten“ Zeitgenossen ihren Nachwuchs bekommen haben? Man schreibt eine E-Mail an Freunde und Bekannte und am besten auch solche, die beides nicht oder nicht mehr sind und die frohe Botschaft trotzdem mitbekommen sollen. Knapp werden die wichtigsten Details zur Geburt angegeben: genauer Zeitpunkt der Geburt, wie groß, wie schwer etc. Und natürlich dass Mutter und Kind wohlauf sind. Das ist immerhin die wichtigste Information. Kribbeln kommt auf, wenn man nach dem Namen des Kindes sucht. Hier wird auch im akademischen Umfeld leider noch immer viel Unfug getrieben. Zwar heißen die Kinder nicht „Ronny“, „Cindy“, „Jacqueline“ oder „Justin“ wie auf der anderen Klinge der soziale Schere aber dafür „…“. Ich erspare mir Beispiele, die doch jeder aus eigener Kenntnis leicht toppen könnte. Ich appelliere: Selbstverwirklichung endet beim Namen des eigenen Kindes.
Mit einer solchen Mail ist eigentlich alles gesagt. Alle wissen Bescheid, sind über die schöne Neuigkeit informiert und beruhigt über einen vielleicht etwas traditionellen aber dafür angemessenen Namen könnte man mit einem guten Gefühl und stillen Glückwünschen den Tag zu Ende bringen.
Allerdings wird die frohe Kunde nun im Sinne der Generierung von Content in web2.0 Anwendungen geradezu ausgeschlachtet. Das erste Bild wird ins Facebookprofil übernommen, extra Homepages eingerichtet oder Posts im eigenen Blog erstellt und Tweets in die unbeteiligte Welt hinausgejagt. Sicherlich steckt da eine gute Portion Stolz dahinter, das ist ja nachvollziehbar. Allerdings sollte man sich mal überlegen, in welche Nachbarschaft diese Nachricht gerät. Zwischen geposteten Links zu neuen, tollen Produkten, Videos oder Tweets über das gestrige Abendessen steht die Nachricht von der Geburt der kleinen Hawannahira-Shirin Kirchgässner. Das vielleicht bedeutendste Ereignis im Leben der jungen Eltern wird zu einem beliebigen web2.0 Content-krümel degeneriert. Wie schade. Aber gehört dieser Post nicht genau in dieselbe Schublade?
Kategorien: Gedanken

2 Kommentare

lynkeus · 03.09.2009 um 15:40

Du wirst es nicht glauben, aber einen Tag nach dem Post kam die nächste Mail zum Thema…Derselbe Befund. Beängstigend…

homberle · 03.09.2009 um 02:04

Du, lieber Lynkeus, sprichst mir aus der Seele. Auch ich habe das Foto in diesem Blog, das augenscheinlich zu deinen Gedanken führte, gesehen. Und auch ich hatte alsbald ähnliche Gedanken. Zum Glück las ich deinen Text und musste mich danach nicht mehr ganz so sehr aufregen, weil ich offensichtlich doch nicht alleine dastehe, mit meiner Meinung zu diesen Dingen…

Es grüßt,
Homberle.

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